Lasatowicz, Maria Katarzyna / Rudolph, Andrea (Hg.)

Corpora und Canones. Schlesien und andere Räume in Sprache, Literatur und Wissenschaft

 

 

2013, [= SILESIA. Schlesien im europäischen Bezugsfeld. Quellen und Forschungen, Bd. 14], 423 S., ISBN 978-3-86464-024-7, 49,80 EUR

 

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Zum Inhalt

 

ZUM GELEIT 9

 

 

KANONREFLEXION UND WERTEBEFRAGUNG   11

 

Małgorzata Kubiesiak

 „Sollt‘ ich Kinder zum Unterrichte bekommen, so werden Ihre Idyllen […] mir zu einer großen Erleichterung dienen.“ Zu Ernst Theodor Johann Brückners idyllischem Werk   13

 

Gabriela Jelitto-Piechulik

Erneuerung des Individualitätsmusters aus dem Geist der Romantik. Ricarda Huchs Novalis-Studie als Denkanstoß für eine zeitentsprechende germanistische Ausbildung   27

 

Andrea Rudolph

Zwitter von Dichtung und Publizistik als horizontbildende Werke. Zum hochschuldidaktischen Potential von Ludwig Gotthard Kosegartens und Heinrich Heines Reisebildern von Pommern und Rügen   39

 

Daniel Pietrek

Von Corpora zum literarischen Kanon – Horst Bieneks Oberschlesische Saga   59

 

Małgorzata Jokiel

Zum Übersetzungskanon und Kanonisierungsprozess von literarischen Übersetzungen   77

 

 

EUROPÄISCHE BEZUGSFELDER IN LITERATUR UND SPRACHE   89

 

Grażyna Barbara Szewczyk

Gedächtnis- und Identitätskonstrukte. Polnische Literatur in Oberschlesien nach 1989   91

 

Hans-Christian Stillmark

Wie es zu Kaschi aus der Asche kam – Zu Wolfgang Hilbigs Herkunft aus dem Osten 101

 

Andrzej Kątny

Zur Regionalsprache Kaschubisch aus kontaktlinguistischer Sicht    113

 

Stanisław Prędota (Wrocław)

Das Niederländische als eine plurizentrische Sprache   123

 

Grażyna Łopuszańska

Die Stadtsprache als Manifestation der regionalen Gruppenzugehörigkeit   135

 

Dennis Scheller-Boltz

Konfixkomposita im Polnischen und Deutschen. Einige Beobachtungen zur Wahrnehmung und Verwendung von bio-/ eko- und bio-/ öko-   147

 

Dorota Miller

Die EU-Osterweiterung als (Wieder-)Vereinigung Europas? Der Europa-Topos im EU-Diskurs der Wochenzeitschriften POLITYKA und DER SPIEGEL   165

 

Jacek Makowski

Die deutsche Sprache im Europäischen Parlament am Beispiel von Aussprachen zur EU-Regionalpolitik   181

 

 

SCHLESIEN IN QUELLEN UND FORSCHUNGEN   197

 

Marcin Worbs

Das schlesische Kirchenlied als Beitrag zur Entwicklung des deutsch-polnischen Kulturgutes. Anmerkungen zum Lied Jesu, Jesu, komm zu mir. Ein für die Literaturhistoriker/innen wohl nicht uninteressanter Einstieg   199

 

Lionel Picard

Die politische Prägung der Presse der Heimatvertriebenen   215

 

Hans-Werner Retterath

Von „Sträselkucha“ und „Schläschen Pauernhimmel“, Heimatgeschichten und -nachrichten. Zum Bestand schlesischer „Heimatbriefe“ im Johannes-Künzig-Institut, Freiburg   227

 

Agnieszka Jóźwiak

Der Aberglaube in Schlesien als Gegenstand volkskundlicher Forschungen von Georg Gustav Fülleborn im Breslauischen Erzähler. Zur Geschichte der Zeitschrift   241

 

 

GRUNDFRAGEN DER SPRACH- UND LITERATURWISSENSCHAFT   253

 

Józef Wiktorowicz

Die Stellung des nominalen Genitivattributs in den Texten des 18. und 19. Jahrhunderts   255

 

Maria Katarzyna Lasatowicz

Die Sprachinseln Schönwald und Wilamowitz im Lichte wissenschaftsgeschichtlicher Tendenzen innerhalb der Sprachinselforschung   265

 

Lesław Cirko

Instrument-Ergänzung im Deutschen? Überlegungen darüber, wie sich die Dependenzverbgrammatik selbst Probleme schafft   275

 

Mariola Majnusz-Stadnik

Modifikationen der geflügelten Worte in den polnischen und deutschen Werbeanzeigen   293

 

Marta Famula

Narrative Grenzgänger – Identitätskonstruktionen in zeitgenössischer Adoleszenz-Prosa. Annette Pehnts Insel 34 und Harald Grills gehen lernen   303

 

Hartmut Scheible

„Übrigens habe ich nie ein Gefühl für die Reichsgründung gehabt.“ Ricarda Huch und die deutsche Geschichte. Eine Skizze   317

 

 

LINGUISTISCHE DISKURSANALYSE ALS KORPUSANALYSE 325

 

Józef Jarosz

Deutschsprachige und dänische Grabinschriften mit Appellfunktion – eine Collage aus kanonischen und unkonventionellen Persuasionszielen   327

 

Zenon Weigt

Die Textsorte Anzeige in der Lodzer Zeitung 343

 

Waldemar Czachur

Korpuslinguistische Voraussetzungen der kultur-kontrastiven Diskurslinguistik. Einige Reflexionen  357

 

Marian Szczodrowski

Zur Kodierung und Dekodierung der sprachlichen Korpora   371

 

Edyta Błachut

Oberschlesien in der Sprache. Einige Bemerkungen zu einer korpus-basierten Untersuchung   379

 

Roman Opiłowski

Thematische Domänen visueller Werbediskurse: Literatur, bildende Kunst, Medienformate   395

 

Jarosław Bogacki

Per Korpora ad Diskursum. Zur Korpuswahlbedingtheit in der linguistischen Diskursanalyse   405

 

Editorial zur Reihe   417

 

AutorInnenverzeichnis   419

 

 

 

 

 

Zum Geleit

 

Die Frage nach Schlesien in regional vergleichenden, nationalen wie europäischen Bezugsfeldern hat sich in den letzten Jahren im produktiven Sinne als herausfordernd erwiesen. Das Thema der vom 12.–14. Oktober 2012 in Kamień Śląski veranstalteten Konferenz „Corpora und Canones. Schlesien und andere Räume in Sprache, Literatur und Wissenschaft“ sollte zwei Grundkomplexe unserer Wissenschaft, Sprach- und Literatur/Kulturwissenschaft, sowie drei ihrer Grundvoraussetzungen, Sprache, Literatur und Wissenschaftsgeschichte, in ihrer scheinbaren Selbstverständlichkeit, aber auch in ihrer Problematik kritisch beleuchten helfen. Frei von tendenziösen Methoden der Vergangenheit, alten ideologischen Belastungen bzw. einer durch „Raumscheu“ gekennzeichneten Haltung vollzog die Germanistik in Polen und in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten drei Dezennien in der Schlesienforschung eine Wendung zur Empirie, zum klärenden Überblick, zum sachlichen Handwerk, eingeschlossen darin die Neigung zum Überprüfen des Bestandes an wissenschaftsgeschichtlichen Urteilen, an nationalen Denkmustern wie Strategien minderheitenpolitischer Funktionsträger, an rhetorischen Rauminszenierungen.

 

Die Beurteilung von Literatur als Beitrag zur Entwicklung des nationalen Bewusstseins und der philologische Nationalismus einer Kanonbildung sind längst überwunden, nachdem zunächst die Sozialgeschichte, dann die ihr teilweise opponierende Kulturwissenschaft Texte und andere Medien auf Andersgesellschaftliches hin ansah. Die Relativität von Kanonbildungen ist beschrieben und historisch geklärt worden. Unstrittig kann das Spezifische des jeweiligen Kanons erst heraustreten, wenn man diesen vom aufgedrungenen Ideal der Ewigkeit befreit. So wandte sich vor Jahrzehnten die Aufmerksamkeit der Kanonformung unter den Bedingungen von normativen Form- und Gattungszwängen zu, auch wurde die Ästhetikkonvention aufgeben, wonach eine bestimmte Qualität erst einen Text zu einem literarischen Text mache. Bald darauf gerieten patriarchalische und europazentrische Ausschlussmechanismen in Kunst- und Literaturgeschichtsschreibung in die Kritik. Mit Regionalliteratur wurde jenseits der wissenschaftlich-politischen Belastungen durch den Heimatbegriff ebenfalls ein Gesichtspunkt vorgeschlagen, unter dem ein Kanon darstellbar und deutbar wäre, in neuerer Zeit diskutiert man die Kanonformung unter der Maßgabe, (neu) am kulturellen Gedächtnis zu arbeiten, eingeschlossen auch die sozialethische Rehabilitierung einst unterdrückter Autoren und Werke. Damit bot sich der Gewinn, die Kanonwertigkeit von Literatur in Bezug auf Fragen zu beurteilen, statt den Zufall der Schullektüren zu beklagen, was freilich die intellektuelle Arbeit an neuen Canones und den Verzicht auf deren normative Geltung bedeutet. Daher erschien es vielen Beiträgern geraten, auf einen konzeptionell bzw. methodisch informierenden „Vorspann“ nicht zu verzichten. Zugearbeitet werden sollte einem Wissenschaftsverständnis, das seine leitenden Fragen am Material abstrahiert wie aus gesellschaftlichen, mithin auch hochschuldidaktischen Bedürfnissen ableitet. Dem entspricht die Vielfalt der Beiträge.

 

Diverse Digitalisierungsprojekte via Internet, aber auch herkömmliche Materialaufnahmen – durch Schrift und Aufnahmetechnik fixiert – bemühen sich auch in Polen um die Bereitstellung einer überraschenden Fülle von bisher noch kaum erschlossenem sprachlichen Material. Die ausgebreiteten Themen und registrierten sprachlichen Phänomene sollten auf unserer Konferenz, eben durch die Methode, wie sie ausgebreitet werden, zu neuen Fragen und nützlichen Einsichten führen. Es geht mithin um eine linguistische Betrachtung, die sich nicht lediglich in der Breite neuen Materials ausdehnt, sondern in die Tiefe führt. Einen Anspruch auf kulturelle Bewertung, auf Gesellschaftliches dokumentieren daher auch die sprachwissenschaftlichen Beiträge. Die Gegenwart nimmt für sich in Anspruch, eine Informations- und Wissensgesellschaft zu sein, und in der Tat verfügte keine historisch bekannte Periode über mehr faktologisches Wissen, das zugleich über das Internet so demokratisch wie nie zuvor zugänglich ist. Gerade deshalb muß die Wissenschaft Verständnisformen entwickeln. In dem, was sie anbietet, sollte es möglich sein, dass sich die germanistische Wissenschaft als unvergleichliches Instrument der Beschreibung und Bemeisterung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft rechtfertigt. Das ist es gerade, was die Gesellschaft den Geistes- und Kulturwissenschaften verdankt, dass sich mittels ihrer Forschungen eine neue Dimension in ihrem Gegenwartsbewusstsein öffnen lässt, indem geschichtliche Zeiten mit ihren Schöpfungen und aktuellste Entwicklungstendenzen durch Reflexion neuer gegenwärtiger Besitz zu werden vermögen. Die abgedruckten Beiträge entstanden aus dem Bedürfnis einer klärenden Vergegenwärtigung dieses Auftrags. Und sie wollen Gelegenheit bieten, die hier angedeuteten Perspektiven unseres Themas zu verfolgen und ihnen im kollegialen Austausch weiter nachzugehen.

 

Für die redaktionelle Mithilfe danken die Herausgeberinnen Kolleginnen und Kollegen am germanistischen Institut Opole, namentlich Dr. Mariola Majnusz-Stadnik, Dr. Justyna Dolińska, Mag. Marek Sitek. Auch danken wir dem Verlagsleiter Herrn Dr. Wolfgang Weist für die harmonische Kooperation bei der Drucklegung. Dank sagen möchten wir vor allem der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit für die Förderung der Konferenz und ihrer Drucklegung.

 

Maria Katarzyna Lasatowicz, Andrea RudolphOpole, im Mai 2013