trafo Wissenschaftverlag, 2014, 2. Aufl., 277 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-86464-007-0, 34,80 EUR
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Vorwort
Der im August 2006 verstorbene General a.D. Ulrich de Maizière, einer der geistigen Väter der "Inneren Führung", unterstrich kurz nach der Wiedervereinigung in einem Zeitungsartikel die fundamentalen Unterschiede zwischen Bundeswehr und NVA. Er wies darauf hin, dass "militärische Tugenden ihren eigentlichen Wert erst durch das ‘Wofür’ erhalten, dass sie mit ethischen Zielen verknüpft sein müssen". So konnte es nicht überraschen, dass die Zentrale Dienstvorschrift zur Inneren Führung, die ZDV 10/1, in der Fassung von 1993 feststellte: "Unstrittig ist jedoch, dass die mit der Vereinigung Deutschlands aufgelöste Nationale Volksarmee wegen ihres Charakters als Partei- und Klassenarmee eines kommunistischen Systems keine Tradition für die Bundeswehr stiften kann". In einer Zeit, in der sich Mythen zur DDR bilden, in der ehemalige Parteifunktionäre, Stasioffiziere und NVA-Angehörige des zweiten totalitären Systems auf deutschem Boden fleißig daran stricken, die Geschichte umzuschreiben, und den ostdeutschen Staat zu einem lediglich verkannten, eigentlich liebenswerten und harmlosen System verklären, tut Aufklärung not. Geschichtswissenschaft hat unter anderem die Aufgabe Mythen- und Legendenbildungen durch Hinweis auf die wirklichen Geschehnisse zu begegnen und aufzuklären. Dies haben allein schon die Opfer des Regimes verdient. Otto-Eberhard Zanders Vergleich des Traditionsverständnisses in den Armeen des geteilten Deutschlands richtet sich nicht zuletzt auch an die Leser, die über keine eigenen Erinnerungen an den Zeitraum verfügen, in dem Deutschland geteilt war. Paradox mutet, wie der Autor belegt, an, dass ausgerechnet die NVA stärker mit der preußisch-deutschen Militärtradition assoziiert wurde, zu der sie doch gerade auf besondere Distanz gehen wollte. Dazu trugen äußerlich schon die Uniformen und der Paradeschritt bei, die von der sowjetischen Führungsmacht trotz der Ähnlichkeit zur "Hitler-Wehrmacht" geduldet wurden. In der von sowjetischer und DDR-Seite als "amerikanische Söldnerarmee" des "imperialistischen Westdeutschlands" bezeichneten Bundeswehr gelang es, Tradition und "Innere Führung" unter anderem deshalb erfolgreich miteinander zu verknüpfen, weil die Handelnden des 20. Juli 1944 nicht wie in der DDR als bloße Handlanger "von Kreisen des Monopolkapitals" angesehen, sondern vielmehr zu überzeugenden Vorbildern für die Tradition der neuen demokratischen Streitkräfte der Bundesrepublik wurden. Deutlich wird in Zanders Arbeit, dass ein Staat wie die Bundesrepublik, der die Freiheit des Einzelnen betont, sich auch im Bereich der Tradition in den Streitkräften von einem Staat unterscheiden muss, der, wie die DDR, den Menschen in erster Linie als Bestandteil eines sozialistischen Kollektivs ansieht. Dem Bild vom "sozialistischen Soldaten" in der NVA stand die Konzeption des "Staatsbürgers in Uniform" diametral gegenüber. Dieser fundamentale Unterschied lässt sich nach Zanders Arbeit nicht mehr einfach unter den bunten Teppich der Mythen fegen. Prof. Dr. Reiner Pommerin Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte TU Dresden |
Vorwort 9
Vorbemerkungen 11
1. Einleitung 13
2. Fragestellung und Methode 18
3. Der Begriff der Tradition 21
3.1. Die politikwissenschaftlichen Aspekte 22
3.2. Die geschichtswissenschaftlichen Aspekte 24
3.3. Die soziologischen Aspekte 26
3.4. Die militärischen Aspekte 28
3.5. Die Definition von Tradition in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR 30
3.6. Das Traditionsverständnis und die Wertehaltungen in den deutschen Streitkräften vor 1945 32
4. Das Traditionsverständnis der Bundeswehr 40
4.1. Die Rückbindung des militärischen Traditionsverständnisses an die Vorgaben des Politik- und Geschichtsverständnisses 40
4.1.1. Die politischen Vorgaben 40
4.1.2. Die historischen Vorgaben 47
4.1.3. Der Personalgutachterausschuss und das Problem der Übernahme von Eliten 50
4.2. Die Leitlinien und Komponenten des Traditionsverständnisses der Bundeswehr 55
4.2.1. Das Konzept der Inneren Führung und das Leitbild vom Staatsbürger in Uniform 56
4.2.2. Die Vorbilder für die Streitkräfte 61
4.2.3. Die Symbole 69
4.2.4. Die Uniformen 73
4.2.5. Die Traditionserlasse von 1965 und 1982 für die Bundeswehr 89
4.2.6. Das militärische Brauchtum 99
4.2.7. Die Auftragstaktik 103
4.2.8. Die militärische Sprache 105
4.2.9. Die Bundeswehr und die Öffentlichkeit 108
5. Das Traditionsverständnis der Nationalen Volksarmee 114
5.1. Die Rückbindung des militärischen Traditionsverständnisses an die Vorgaben des Politik- und Geschichtsverständnisses bis zum Jahre 1956 114
5.1.1. Die politischen Vorgaben 114
5.1.2. Die historischen Vorgaben 118
5.1.3. Das Traditionsverständnis und die militärische Elite in der NVA 123
5.2. Die Leitlinien und Komponenten des Traditionsverständnisses in der NVA ab 1956 129
5.2.1. Der sozialistische Soldat 129
5.2.2. Die Vorbilder 133
5.2.3. Die Symbole 139
5.2.4. Die Uniformen der Kasernierten Volkspolizei und der Nationalen Volksarmee 143
5.2.5. Die Vorgaben und Anordnungen zu Fragen der Tradition in der Nationalen Volksarmee 155
5.2.6. Das militärische Brauchtum 161
5.2.7. Die Truppengeschichtsschreibung 163
5.2.8. Die militärische Sprache 164
5.2.9. Die NVA und die Öffentlichkeit 167
5.2.10. Die NVA im Jahre 1990 170
6. Die vergleichende Analyse des Traditionsverständnisses von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee 172
6.1. Die methodische Vorgehensweise 173
6.2. Die vergleichende Betrachtung der Hauptkriterien 175
6.2.1. Die politische Ausgangssituation 175
6.2.2. Der Einfluss der Besatzungsmächte 176
6.2.3. Die Stellung der Streitkräfte im Staat 178
6.2.4. Das Menschenbild 179
6.2.5. Der Traditionsbruch 181
6.2.6. Die Mitwirkung von Soldaten der ehemaligen Wehrmacht beim Aufbau der Streitkräfte 183
6.2.7. Zusammenfassung 184
6.3. Die vergleichende Betrachtung der Nebenkriterien 185
6.3.1. Die Vorbilder 185
6.3.2. Die Symbole 186
6.3.3. Die Namensgebungen 187
6.3.4. Die Uniformen 187
6.3.5. Das Zeremoniell 188
6.3.6. Die Sprache 189
6.3.7. Zusammenfassung 189
6.4. Ergebnisse der vergleichenden Betrachtung 190
6.5. Die Bundeswehr als "Armee der Einheit" 192
6.5.1. Die politische Umbruchssituation 1989/1990 192
6.5.2. Die Übernahme der Nationalen Volksarmee durch die Bundeswehr 192
6.5.3. Die Personalauswahlkommission 195
6.5.4. Die Bedeutung des Traditionsverständnisses in der "Armee der Einheit" 197
7. Schlussbemerkungen 201
Anhang 205
1. Bildanhang 205
2. Dokumentenanhang 233
3. Liste der befragten Personen 245
4. Quellen- und Literaturverzeichnis 246
4.1. Quellen 246
4.2. Monographien 248
Der Autor 260
Das vorliegende Buch ist im Jahre 2000 von der Philosophischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen worden; es hätte ohne die Unterstützung vieler Personen und verschiedener Institutionen nicht geschrieben werden können.
Besonders zu danken habe ich daher Herrn Professor Dr. Dr. Ulrich Matthée und Herrn Privatdozenten Dr. Jürgen Elvert für die wissenschaftliche Betreuung und die Geduld, die sie einem bereits in den Jahren stehenden Doktoranden entgegenbrachten.
Zu Dank verpflichtet bin ich den Persönlichkeiten, die ich mündlich oder schriftlich befragen konnte. Hier seien aus der Bundesrepublik Deutschland die ehemaligen Bundesminister der Verteidigung, Herr Dr. h.c. Georg Leber, Herr Prof. Dr. Rupert Scholz und Herr Dr. Gerhard Stoltenberg, aus der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Ministerpräsident a.D., Herr Lothar de Maizière, der ehemalige Minister für Abrüstung und Verteidigung, Herr Rainer Eppelmann, und dessen Mitarbeiter, Herr Staatssekretär a.D. Werner Ablaß, genannt.
Aus der Bundeswehr schulde ich Dank Herrn General a.D. Wolfgang Altenburg, Herrn Generalmajor a.D. Gottfried Ewert, Herrn Vizeadmiral Lutz Feldt, Herrn General a.D. Ulrich de Maizière, Herrn Generalleutnant a.D. Werner von Scheven und Herrn Generalleutnant a.D. Jörg Schönbohm. Aus der ehemaligen Nationalen Volksarmee danke ich Herrn Generalmajor a.D. Professor Dr. Reinhard Brühl, Herrn Oberst a.D. Professor Dr. Paul Heider, Herrn Admiral a.D. Theodor Hoffmann, Herrn Generalleutnant a.D. Gerhard Link und Herrn Generaloberst a.D. Horst Stechbarth für vielfältige Unterstützung und wertvolle Hinweise.
Weiterhin danke ich aktiven und pensionierten Unteroffizieren und Offizieren der Bundeswehr und der ehemaligen Nationalen Volksarmee für Anregungen, Gespräche und kritische Ermunterung. Stellvertretend für alle sei an dieser Stelle mein ehemaliger Vorgesetzter, Herr Kapitän z.S. a.D. Friedrich-Wilhelm Müller-Meinhard, genannt.
Die Wiedervereinigung Deutschlands hat diese Begegnungen und Gespräche ermöglicht und damit meiner Arbeit auch eine bewegende menschliche Dimension gegeben.
Weiterhin habe ich zu danken den Damen und Herren des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes der Bundeswehr in Potsdam. Herrn Ltd. Wissenschaftlichen Direktor Dr. Bruno Thoß danke ich insbesondere für manch kritisches Gespräch und Ermunterung. Die Herren Wissenschaftlicher Direktor Prof. Dr. Rolf-Dieter Müller, Oberstleutnant Dr. Peter Popp, Dr. Armin Wagner und Wissenschaftlicher Oberrat Dr. Rüdiger Wenzke haben sich für eine Befragung trotz ihrer erheblichen beruflichen Inanspruchnahme zur Verfügung gestellt, ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.
Den Damen und Herren aus dem Bundesarchiv/Militärarchiv in Freiburg, insbesondere Herrn Archivoberrat Günther Montfort und Herrn Albrecht Kästner und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danke ich herzlich für Unterstützung, Rat und Hilfe.
Meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen am Institut für Politische Wissenschaft der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel habe ich für freundschaftliche Aufnahme und wertvolle Hinweise zu danken, die sie einem "betagten" Kommilitonen nicht nur während der Kolloquien im Seminar, sondern auch während der von Herrn Professor Dr. Dr. Ulrich Matthée durchgeführten Exkursionen entgegenbracht haben.
Ein herzlicher Dank gilt Frau Ina Walzog vom Verlags- & Medienservice, Berlin für die technische Umsetzung und meinem Bruder, Herrn Klaus-Ulrich Zander für das Lektorat des Buches.
Besonders danken möchte ich dem Amtschef des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, Potsdam, Herrn Oberst Dr. Hans Ehlert und dem Leiter der Schriftleitung des Amtes, Herrn Dr. Armin Lang sowie Herrn Dr. Wolfgang Weist vom trafo verlag, Berlin, für vielfältige Unterstützung und wertvolle Hinweise.
Das Buch widme ich meinen Kindern Katharina und Jan, deren Glück und Wohlergehen in ihrem ferneren Leben mein größter Wunsch ist.
Göttingen, im Oktober 2006
Otto-Eberhard Zander