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Hannelore Scholz / Penka Angelova / Nikolina Burneva (Hrsg.)

“Brüche. Auf-Brüche – Um-Brüche – Aus-Brüche in Ost und West.
Nation – Kultur – Geschlechterverhältnisse”

trafo verlag 1999, 333 S., ISBN 3-930412-72-1, 16,80 EUR

 

Zum Inhalt

Der Fall der Mauer 1989 markierte auf spektakuläre Weise den historisch einmaligen Präzedenzfall friedlichen Machtverzichts. Er stellt das Ende der deutsch-deutschen Teilung dar und zugleich das Ende der deutschen und europäischen Nachkriegsgeschichte. Dadurch sind Ost-, Mittel- und Westeuropa auf besondere Weise in einen Transformationsprozeß gedrängt. Deutschland spielt in diesem Zusammenhang eine spezifische Rolle.
Die letzten Jahre vor der Jahrtausendwende wurden von vielen als eine Zeit zunehmender Dynamik und grundlegender Veränderungen erlebt.
Niemals zuvor scheint sich der Wandel einer Gesellschaft im nationalen europäischen Rahmen und im globalen Zusammenhang schneller vollzogen zu haben als heute.
Dieser Prozeß verläuft seit 1989 in den neuen Bundsländern und Osteuropa höchst widersprüchlich und vielgestaltig. Er stellt ein historisches Experiment dar, dessen Ausgang noch unklar ist.
Dieses Experiment wird durch enorme Brüche und Neuansätze charakterisiert.
Die WissenschaftlerInnen, die sich in diesem Band äußern, wollten sich nicht darauf beschränken, von einer BeobachterInnenposition aus den Paradigmenwechsel in der Alltagkultur ihrer Länder zu beschreiben. 

Vielmehr suchten sie nach methodischen Ansätzen, die die Betroffenen einbezogen, um die Veränderungen in der Stellung der Frauen in den unterschiedlichen Ländern vor und nach 1989 zu charakterisieren. Die Konzentration auf Deutschland und Bulgarien war beabsichtigt, dennoch sind weitere multikulturelle Einblicke mit in den Band aufgenommen worden.
Da es sich hierbei um höchst unterschiedliche komplexe, nicht-lineare Gesellschaftsmodelle handelt, wurde eine konzeptionelle Einheit nicht angestrebt.
Ein wichtiges Problem scheint die Interdependence von Demokratie und Marktwirtschaft zu sein. Auf dem Gebiet der Ökonomie liegen viele relevante Forschungsergebnisse vor, der Bereich der Politik und noch mehr der Bereich der Kultur wurden bisher unzureichend berücksichtigt.
Die teilweise interdependente Entwicklung von Recht, Verwaltung, Industrie, Kultur und Infrastruktur ist ein Prozeß; die Wahrnehmung dieser Entwicklung und ihre Verarbeitung aufgrund kultureller Prägungen und Stereotypen (“Wir wollen helfen”– Gegensatz: “Wir werden kolonialisiert”) ein anderer Prozeß. Die ethnopsychosoziale Dimension dieser Prozesse wird unterschätzt. Es ist klar, daß die Aktivitäten von Menschen sich förderlich oder hinderlich in dieser Entwicklung auswirken können.
Die aktuelle Situation in den neuen Bundesländern läßt sich als “Neue Ambiguität” bezeichnen (dieser Sachverhalt gilt teilweise auch für Bulgarien, Polen, Rußland, Tschechien, Ungarn).
Dieses Thema wurde in der vielfältigen Transformationsforschung bisher nicht nur unzureichend aufgegriffen, sondern eher verschwiegen und ausgegrenzt. Wesentliche Forschungsgrundlagen insbesondere für den mittel-, ost- und westeuropäischen Raum fehlten. So war es der erste unverzichtbare Schritt, dieses “Material” zu suchen, zu sichten und auszuwerten.
Skizziert wird die soziokulturelle und politische Situation von Frauen und deren Wandel. Dabei stellen die bulgarischen Beiträge den Stand der Selbstreflexion in diesem Land dar.
Als Ergebnis ist eine deutliche Wechselwirkung zwischen gesellschaftlicher Realität des weiblichen Geschlechts und deren kultureller Präsentation zu konstatieren.
Im Zentrum der Untersuchung stehen sowohl Interpretationen von Texten bekannter und unbekannter Autorinnen und Autoren als auch Reflexionen über historische, juristische, soziologische und mentale Zusammenhänge.
Exemplarisch und spannend wird die Dynamik der neuen Genera-tion von Frauen in Bulgarien und Ostdeutschland als Aufbruch zu einem neuen Selbstverständnis dargestellt. In ostdeutschen Kontexten überwiegen Skepsis und Aufbruchsstimmung als Wechselspiel des Lebensalltags.
Dabei zeigte sich, daß dieser Prozeß erst in den Anfängen steckt und folglich neuartige Forschungsansätze als auch Ausbrüche aus den Traditionen Zukünftiges in der Gegenwart sichtbar werden lassen.
Europa benötigt eine neue Kulturpolitik und einen differenzierten Dialog der Kulturen. Nationale Grenzen haben im Bereich von Kunst und Kultur nie die Rolle gespielt wie in der Politik oder in der Wirtschaft. Was wir als “abendländische Kultur” bezeichnen, ist weit- gehend aus den gleichen historischen, religiösen und philosophischen Quellen gespeist.
Die Idee eines einheitlichen Raumes Europa bestand in kultureller Sicht lange bevor an eine politische oder wirtschaftliche Einheit gedacht wurde. Der kulturelle Dialog funktionierte ohne organisatorisch-bürokratische Strukturen.
In diesem anzuzeigenden Band sind Themen gebündelt, die als Angebot zum notwendigen Kulturdialog aus geschlechtsspezifischer Sicht verstanden werden könnten.
 

Inhaltsverzeichnis

Vorwort 9

Schwerpunkt I: Kulturelles Gedächtnis – Aspekte ästhetischer Wahrnehmung von nationaler Identität und Geschlechterbeziehungen 11

Repräsentation, Geschlecht und Politik: Emilia Galotti  und ihre Spiegelbilder 13
Evelyn Moore (Gambier, USA)

Kunst und Natur – Zum ästhetischen und naturphilosophischen Konzept menschlicher Emanzipation in Wilhelm
Heinses Ardinghello 25
Andreas Anglet (Paris, Frankreich)

“Des Epimenides Erwachen”. Goethe und die deutsche Nationalbewegung 55
Klaus F. Gille (Amsterdam, Niederlande)

Anmerkungen zum Ewig-Weiblichen in einem Gemälde C. D. Friedrichs 67
Bagrelia Borissova (Veliko Tirnovo, Bulgarien)

“Traum und Wirklichkeit”. Sophie Tiecks frühe Erzählungen zwischen Berliner Aufklärung und Romantik 75
Hannelore Scholz (Berlin)

Zum Bild der Frau als seraphische und als infernale Figur bei F. M. Dostojewski 85
Illana Petrova (Veliko Tirnovo, Bulgarien)

Das Geschlecht – Verwünschung und Mystik 93
Violeta Russeva (Veliko Tirnovo, Bulgarien)

“Nicht viel werden wir mehr von Liebe reden” – Liebesauffassung und Geschlechterbeziehung im Werk der Schrift-
stellerin und Germanistin Sigrid Damm 99
Monika Schneikart (Greifswald)

Der Eintritt der “Power-Frau” in die bulgarische Literatur 115
Maja Razbojnikova-Frateva (Sofia, Bulgarien)

Anwesenheiten in mythisch-kosmischen Zeit-Räumen. Überlegungen zur lyrischen Konzeption der “Keilschriften”
von Sneshana Ivanova 125
Paunka Christova (Veliko Tirnovo, Bulgarien)

Von der Hellen Zukunft und von Omas Blumengarten. Notizen zur bulgarischen Literatur nach der “Wende” 135
Nikolina Burneva (Veliko Timovo, Bulgarien)

Schwerpunkt II: Multikulturelle Ansätze – Aspekte soziokultureller Wahrnehmung von Nation – Ethnizität – Kultur – Geschlecht 145

Herrschaftskultur moderner Gesellschaft und Gcschlechterbeziehungen. Gibt es Ansätze für Gegenkultur? 147
Ilse Modelmog (Oldenburg)

Arbeit im Privathaushalt: Die Rückseite der Individualisierung 161
Marianne Friese (Bremen)

Nationalismus in den USA: Ein interkultureller Vergleich der Auswirkungen 175
Frances E. Olsen  (Los Angeles, USA)

Einiges zum Bürgerinnenstatus der Bulgarin in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts 185
Elka Simeonova (Veliko Tirnovo, Bulgarien)

Abschied von der Zweigeschlechtlichkeit? Über die Vielfalt weiblicher Lebensweisen 195
Martina Löw (Halle)

Die Geburt von Europa oder Noch etwas über das weibliche Sein im Mythos 203
Penka Angelova (Veliko Tirnovo, Bulgarien)

Das erste japanische Frauentagebuch Kagero nikki (um 974) und die Tradition des weiblichen Schreibens im
alten Japan 215
Kaoru Noguchi (Tokio, Japan)

Ein Anfang, der im Sande verlief ... Warum die Neuansätze im weiblichen Selbstverständnis sich in der deutschen
Nachkriegsliteratur nicht durchsetzten 225
Monika Melchert (Berlin)

Eine feministische Germanistin in Pakistan: Einige Gedanken zum gegenseitigen kulturellen Verständnis
und zum deep listening 237
Donna K. Heizer (Gambier, USA)

Flanieren an der Front. Anmerkungen zum neuen Nationalismus am Beispiel des PEN-Kongresses in Kroatien 1993 251
Stephan Steiner / Judith Veichtelbaum (Wien, Österreich)

Die rechte Frau. Weiblichkeitsbilder in neokonservativen und rechtsextremen Diskursen 255
Judith Veichtelbaum / Karin Liebhart (Wien, Österreich)

Pädagogische Aspekte der Eltern-Kind-Beziehungen 257
Penka Kostova (Veliko Timovo, Bulgarien)

Machtausübung im literarischen Geschlechterdiskurs. Linguistische Analyse zweier Gespräche zwischen Thoas
und Iphigenie in Goethes “Iphigenie auf Tauris” 265
Silke Jahr (Greifswald)

“Ciphers to this Great Accompt”. Shakespeares König Heinrich der Fünfte 1415 – 1599 – 1789 – 1989 289
Barbara Puschmann-Nalenz (Bochum)

Eine japanische Lesart zu Christa Wolfs “Kassandra” 303
Atsuo Fujimoto (Tokio, Japan)

Der verzweifelte Mensch – die “verzweifelte Hoffnung”. Von Christoph Heins Novelle “Der fremde Freund” zu den kurzen Texten “Kein Seeweg nach Indien”, “Moses Tod” und “Ein älterer Herr, federleicht” 323
Dieter Hensing (Amsterdam, Niederlande)

Zu den AutorInnen 333