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Merten, Hans-Rüdiger

Berliner Brauhausgeschichten. Einst und Jetzt

[= Berliner ZeitLäufe, Bd. 2], trafo verlag 2007, 44 S. zahlr. Abb., ISBN 978-3-89626-645-3, 5,80 EUR

 

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Wer Berlin durchwandert auf den Spuren vergangener Geschichte, muß wach sein. Oft wird der Wanderer nichts von dem finden, was er sucht. Dafür aber trifft er auf Überraschungen, die er nicht erwartet hat.

Das kann ihm auch in den »Berliner ZeitLäufen« widerfahren.

 

Leseprobe

 

Gestern war der meteorologische Frühlingsanfang. In Berlin schneit es. Sehnsucht habe ich nach dem Frühling, den ersten grünenden Bäumen und Blumen. Es soll noch nicht sein.

Durch die wintertrüben Fenster meines Büros in der Berliner Marchlewskistraße blicke ich auf den liegengebliebenen Schnee am Rande des Helsingforser Platzes. Ein zutiefst ungemütlicher Anblick. Schöner ist es da, hier im warmen Raum von einem jener Biergärten zu träumen, in denen ich so gerne in München gesessen habe. Davon verstehen diese Bayern wirklich etwas.

Bier ist seit Jahrhunderten ein beliebtes Getränk und hat neben Wein auch viele Künstler erfreut. Doktor Hoffmann, der sich bis 1940 durch viele Gasthöfe Deutschlands gefressen und gesoffen hat, erzählt über den berühmten Schriftsteller Jean Paul in seinem Buch »Goldener Anker und Schwarzer Adler« von 1941 eine erfrischende Geschichte. Dieser Schriftsteller hegte eine besondere Vorliebe für Bayerisches Bier. Die Qualität angebotenen Bieres entschied sogar über die Wahl seines Wohnortes. Meiningen, ein Herzogtum in Thüringen, missfiel ihm aus diesem Grund. Er wollte abreisen. Der Herzog, ein Literatenfreund, sandte ihm nun ein Gedicht:

 

»Sie sollen hier bleiben

Und schreiben

Und sollen haben

An Gaben

Frei Porto vom Bayreuther Bier

Nicht weniger ein frei Quartier

Nebst Büchern, die Sie lesen wollen.«

 

Es half nicht. Jean Paul reiste ab.

 

Der Berliner favorisiert dagegen eher sein Stammlokal, die Kneipe. Hier trifft er sich mit Freunden und Bekannten, zischt seine Molle und kippt dazu ein hartes Kompott. Alles ist familiär, selbst wenn gestritten wird.

In der Stadt gibt es mehrere tausend derartiger Etablissements. Sie werden geschlossen, verkauft, neueröffnet, wechseln die Namen, die Stammgäste bleiben oft die gleichen.

Selten verbleibt ein Lokal über hundert Jahre in der Hand einer Familie. Mir ist hier nur das »Bötzow« an der Ecke Linien- zur Tucholskystraße in Mitte bekannt, in dem ich elf Jahre frohe und auch feucht-fröhliche Stunden verbrachte. Im einzigen Gastraum stand der vermutlich älteste Tresen Berlins, die Glasscheiben zur Küche und zur Toilette waren mit geschliffenen Jugendstilornamenten versehen. Hier galt zu jener Zeit der Spruch:

 

Schlimmer als in Kneipenstuben

Riecht es nur in Löwengruben,

Doch genussvoll inhalieren

Wir den Duft bei Schnaps und Bieren.

 

Überkam die Wirtin der merkwürdige Drang, den strengen Geruch durch die Frischluftzufuhr mittels einer geöffneten Tür zu mindern, ertönte lauter Protest der anwesenden Stammgäste. Ich gehörte zu ihnen.

...

 

 

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