Fritzsche, Eva & Hančl, Sabine (Hrsg.)

Tierisches Insulin.
Ein bewährtes Medikament in der modernen Diabetestherapie.
Patientenberichte

trafo verlag 2006, 101 S., ISBN (10) 3-89626-616-0, ISBN (13) 978-3-89626-616-3, 13,80 EUR

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Zu den REZENSIONEN

Inhalt

 

 

Vorwort 7

Ein paar Worte über Diabetes 15

 

 

PATIENTENBERICHTE

 

Fehlende Unterzuckerwahrnehmung 19

Bernd J., 48 Jahre

 

Humaninsulin und die Folgen 25

Silvia D., 36 Jahre

 

Angst 41

Ralf T., 43 Jahre

 

Unerträgliche Schmerzen 43

Ingrid S., 43 Jahre

 

Tierisches Insulin – mein Lebensretter 55

Armin S., 68 Jahre

 

Zwischen Himmel und Hölle. Wenn die Erfahrung des Patienten ignoriert wird 61

Sabine H., 52 Jahre

 

Es zählt nur noch das Geld 75

Daniel G., 28 Jahre

 

Vor einer Hypo geht es mir gut 83

Silke G., 42 Jahre

 

Mein Leben als Typ-1-Diabetikerin im goldenen Zeitalter von Human- und Analoginsulinen 91

Aline V., 50 Jahre

 

Über die Herausgeberinnen 101

 

Leseprobe

Im Jahr 1969 erkrankte ich an Diabetes mellitus Typ 1 im Alter von 32 Jahren. Seither spritze ich Schweineinsulin. Allmählich, im Lauf der Jahre, steigerte sich die Dosis von 1 mal 16 Einheiten auf 4 mal 10 Einheiten. Bei meiner beruflichen Tätigkeit als Bauer, später als Mechaniker, war das oft nicht einfach. Es folgten stationäre Aufnahmen. Die typischen Beschwerden eines Diabetikers machten mir zu schaffen: Schlappheit, Müdigkeit und Kraftlosigkeit. Meine Blutzuckerwerte lagen immer etwas höher. 1991 wurde ich nach 22 Jahren Diabetes arbeitsunfähig. Hilfe und Unterstützung bekam ich in der Diabetikerberatung der damaligen polyklinischen Ambulanz und auch in Rheinsberg, wo ich zur Kur war.

Trotz aller Schwierigkeiten kam ich mit tierischem Insulin gut zurecht.

Nachdem ich 27 Jahre Schweineinsulin gespritzt hatte, stellte mich mein damaliger Hausarzt im Dezember 1996 ohne mein Wissen auf Humaninsulin um. Nach wenigen Tagen fiel ich am 08.12.1996 ins Unterzucker-Koma. Der Unterzuckerschock kam plötzlich und ohne Vorwarnung. Mir wurde übel und ich musste mich übergeben. Dann wurde ich ohnmächtig. Die Diagnose im Krankenhaus lautete Vorhofflimmern, CIHK mit absoluter Tachyarrythmie. Bei meiner Aufnahme hatte ich einen Blutdruck von 95/65. Stationär wurde eine neue Insulineinstellung mit Humaninsulin vorgenommen. Die Entlassung erfolgte am 19.12.1996.

Am 01.02.1997 fiel ich unter der Humaninsulintherapie erneut ins Koma. Meine Frau fand mich am Morgen bewusstlos im Bett und rief den Notarzt. Ich wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Ursache: Hypoglykämie mit Bewusstseinsstörungen und Herzbeschwerden. Stationär schwankten die Blutzuckerwerte unter Humaninsulin an einem Tag zwischen 40 und 338 mg/dl. Man gab mir ein anderes kurz wirkendes Humaninsulin und die Werte stabilisierten sich um 200 mg/dl. Ich wurde am 8.3.1997 mit einer unbefriedigenden Blutzuckereinstellung aus dem Krankenhaus entlassen.

Meine neue Hausärztin überwies mich an eine Diabetesschwerpunktpraxis in Halle. Dort erkannten sie, dass ich Humaninsulin nicht vertrage, und verordneten mir wieder Schweineinsulin. Seither spritzte ich SNC von Berlin-Chemie für den Tag, für die Nacht nahm ich Semilente Schweineinsulin. Von 1997 bis zum heutigen Tag gab es dank des guten Schweineinsulins keinen Notfall mehr!

Am 31.05.2005 stellte Berlin-Chemie die Produktion ihres Schweineinsulins ersatzlos ein. Somit waren Diabetiker, die kein Humaninsulin vertragen, auf den Import von Schweineinsulin angewiesen. Ein in Deutschland bekannter Diabetologe erarbeitete für Berlin-Chemie eine Umstellungsempfehlung. Das SNC-Insulin sollte umgestellt werden auf Hypurin Porcine Neutral, das aus der Schweiz importiert werden muss.

Es gibt jedoch ein Gesetz, welches die Bezahlung von Importmedikamenten durch die Krankenkassen verbietet (BSG vom 18.05.2004). Und so wurde der Antrag meiner behandelnden Diabetologin auf Kostenübernahme des tierischen Insulins seitens der AOK abgelehnt!

Die AOK ignorierte auch die Mitteilung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 28.06.2005, dass auf ärztlichen Antrag in bestimmten Fällen die Kosten des importierten Schweineinsulins von der GKV übernommen werden.

Es folgte ein schier unendlicher Briefwechsel zwischen der Krankenkasse und mir, in dem die AOK Magdeburg mit negativen Bescheiden argumentierte, wie z.B.: wozu Schweineinsulin? Analoga seien doch besser! Ich schrieb daraufhin Briefe an die Deutsche Diabetes Gesellschaft Magdeburg, den Petitionsausschuss des Bundestages und an das Ministerium für Gesundheit und Soziales. Ich fürchtete, ohne mein tierisches Insulin zu sterben.

Unsere Rettung war schließlich der „Insuliner", eine Zeitschrift, die von einer unabhängigen Patientenvereinigung herausgegeben wird. Meine Frau und ich schrieben an die Redaktion, dass ich nur noch für zwei Wochen Schweineinsulin zur Verfügung hätte. So erhielt ich die Adresse eines Diabetologen und Wissenschaftlers, der uns bis heute uneigennützig unterstützt. Einige Mitbetroffene schickten mir sogar aus ihrem eigenen Vorrat Schweineinsulin!

Da auch das Widerspruchsverfahren gegen die AOK erfolglos war, reichten wir am 13.07.2005 Sozialklage gegen die AOK zwecks Kostenübernahme des Importinsulins ein. Die Richterin am Sozialgericht ließ sogar ein Gutachten von dem Diabetologen anfertigen, der die Umstellungsempfehlung für Berlin-Chemie erarbeitet hatte. Aus dem Gutachten geht eindeutig hervor, dass kein Patient, der auf tierisches Insulin eingestellt ist, ohne besonderen medizinischen Grund auf Humaninsulin umgestellt werden darf.

Die Sache war damit nicht erledigt, im Gegenteil, man versuchte mich mundtot zu machen. Ein von der AOK in Auftrag gegebenes Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) verdrehte die Aussagen des Diabetologen. Der Diabetologe habe die Umstellung auf Analoga stationär empfohlen. Eine Richtigstellung durch den betreffenden Facharzt ignorierte man einfach. Auch wurde ich als seniler, hilfloser Mensch dargestellt, der nach 36 Jahren Diabetes nicht einmal auf eine Hypo reagieren kann. Die Frau vom MDK schrieb unter anderem, dass Diabetes mellitus keine so seltene und unerforschte Erkrankung sei, und lehnte den Antrag auf tierisches Insulin ab. Sie begründete es damit, dass es eine Sonderregelung für den Import von Medikamenten nur dann gäbe, wenn eine seltene, nicht erforschte Erkrankung vorliegen würde.

Am 15.12.2005 entschloss ich mich, die Krankenkasse zu wechseln, nachdem die Richterin angerufen und mir mitgeteilt hatte, es stehe nun Aussage gegen Aussage. Jedoch hatte die AOK das Insulin für November und Dezember plötzlich doch noch bewilligt. Als der Kassenwechsel bekannt wurde, erhielt ich auch für Januar und Februar die Bewilligung für mein tierisches Insulin. Und plötzlich war auch die für Januar geplante Zwangsumstellung auf Humaninsulin oder Analoga vom Tisch. Diesen plötzlichen Gesinnungswechsel habe ich wohl dem Brief einer Mitbetroffenen zu verdanken, die der Richterin am 22.12.2005 schrieb, sie möge die Risiken einer Umstellung auf Humaninsulin bedenken, sich gegebenenfalls bei ihr oder im Internet informieren.

Zahlreiche Veröffentlichungen in der Presse zeigten die Problematik um Humaninsulin und Analoga auf. Ein Professor von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, den ich auch um Hilfe gebeten hatte, sagte: „Wie Unverträglichkeiten entstehen, ist noch unerforscht. Aber das darf kein Grund sein, Patienten zu etwas zu zwingen, was nicht gut für sie ist."

Die Bewilligung durch die neue Krankenkasse steht noch aus.

Am 09.02.2006 erhielt ich von meinem damaligen Hausarzt das Original der Krankenhausakte von der zweiten Krankenhauseinweisung am 01.02.1997 sowie eine ärztliche Bescheinigung, dass ich ab Dezember 1996 auf Humaninsulin umgestellt wurde. Er sagte klar, dass das Humaninsulin die Hypoglykämien hervorgerufen habe und unterstrich diesen Passus im Bericht des Krankenhauses. Die Untersuchungen im Krankenhaus schlossen eindeutig eine andere Ursache für die schwere Bewusstseinstörung aus. Die tiefe Hypoglykämie unter Humaninsulin war eindeutig die einzige Ursache für das Koma gewesen.

Auch wenn ich kein Arzt bin, so gibt es für mich einen entscheidenden Unterschied zwischen Humaninsulin und Schweineinsulin. Während der Zucker unter Humaninsulin ohne Vorwarnung so tief absackte, dass ich auf fremde Hilfe angewiesen war, konnte und kann ich mir unter Schweineinsulin auch bei tiefen Werten immer noch selbst helfen. Ich spüre, wenn der Unterzucker kommt, und esse etwas. Ich war noch nie im Leben bei einer Unterzuckerung mit Schweineinsulin bewusstlos.

Wie lange soll ich nun noch für mein tierisches Insulin kämpfen?

Positiv ist, dass die gesetzliche Krankenkasse, die im Rahmen der Gesundheitsreform Kostenminimierung anstrebt, mit dem tierischen Insulin ein billigeres Medikament als zum Beispiel Analoga erstatten soll.

 

Armin S., 68 Jahre