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hrsg. von der Landeszentrale
für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern, trafo verlag 2006, 121 S., zahlr.
Fotos und Abb.,
ISBN (10) 3-89626-609-8, ISBN (13) 978-3-89626-609-5, 16,80 EUR
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INHALTSVEREZEICHNIS
Vorwort 9 Zarrentin 13 Testorf 31 Die Halbinsel Strangen 41 Ehemals Grenze, heute Radfernweg 53 Techin 55 Lassahn – Stintenburg 61 Kneese 71 Lankow 73 Schlagsdorf 75 Bülow 91 Utecht 99 Ratzeburger See – Priwall 109
Anmerkungen 119 Glossar 121 DDR-Grenzsperranlage 123
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Vorwort der Autorin
Ich bin in der DDR geboren, bin in diesem Land aufgewachsen und durch alle damaligen Bezirke gereist. Und trotzdem habe ich außer der dicken Mauer in Ostberlin, die Grenze meines Landes im Westen nie gesehen. Fünf Kilometer vor den hohen Zäunen war für mich wie für die meisten anderen DDR-Bürger das Land zu Ende. Für das Dahinter brauchte jeder einen Passierschein. Den wiederum erhielt derjenige oder diejenige in der Regel nur, wenn er dort lebte oder arbeitete. Da ich weder Verwandte in diesem abgeschnittenen Landesteil hatte und auch keine anderen plausiblen Gründe vorbringen konnte, außer den meiner Neugier, blieben die Holme der Schlagbäume bis zum November 1989 für mich unten. Ich erfuhr von der Grenze, von Fluchtversuchen und den Toten nur über Freunde oder aus den westlichen Medien.
Familien, die im 500-m-Schutzstreifen lebten, durften nicht einmal ins Nachbardorf, wenn dieses auch im Schutzstreifen lag. Nur ostwärts konnten sie, ins fünf Kilometer breite Sperrgebiet oder noch weiter, weg vom Schaalsee, dem Ratzeburger See, weg von der Wakenitz, weg von der Dassower See und dem Pötenitzer Wieck.
Seit ich in der Nähe der ehemaligen Grenze bei Zarrentin lebe, frage ich mich oft: Wie mag es denen ergangen sein, die in diesen Gegenden wohnten? Was blieb in ihren Erinnerungen lebendig? Was erzählen sie ihren Kindern und Enkeln. Oder mit Christa Wolf gefragt: Was ist mit den „unerledigten Widersprüchen und unausgetragenen Konflikten", die „dicht unter der Oberfläche" pochen? „Wenn es nun dieses Gemeinwesen mit seiner Geschichte nicht mehr gibt – die ja, wird man es wahrhaben wollen?, ein Zweig der deutschen Geschichte war –: Wird dieses Pochen noch jemanden interessieren? Wird es immer leiser werden, schließlich von selbst aufhören? Ist es auch das, was viele wünschen?"1
Noch ist dieses Pochen spürbar und manchmal noch brechen die Konflikte auf und aus den Wunden quellen Angst ums eigene Bild, Scham, schmerzend Verlust und Einsicht gleichermaßen, befreit sein … Ich folgte diesem leisen Klopfen auf den alten Grenzwegen von Zarrentin über Lassahn bis nach Utecht und weiter westwärts bis nach Lübeck. Mit einigen, die in dieser Gegend schon seit Jahrzehnten zu Hause sind, bin ich ins Gespräch gekommen. Nach anderen habe ich gesucht. Sie haben ihre Dörfer verlassen und sind nicht mehr zurückgekehrt.