Peter Oehme

Fünf Jahrzehnte Forschung und Lehre in der Pharmakologie. 
Erlebtes und Gelebtes in der Wissenschaft

[= Autobiographien, Bd. 25], 2006, 230 S., ISBN (10) 3-89626-582-2, ISBN (13) 978-3-89626-582-1, 24,80 EUR

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ZU DEN REZENSIONEN

 

Anstelle eines Geleitwortes

Lieber Peter,

Dein Manuskript lag nun ein paar Tage in meinem Büro – unberührt. Als ich aber zu Lesen anfing, habe ich nur noch wenige Pausen eingelegt – denn hier liegt eine lebendige, spannende und neugierig machende Beschreibung eines interessanten Wissenschaftlerlebens in Deutschland vor. Einiges, über das wir beide diskutiert haben, habe ich nun besser verstanden.

Während der turbulenten Wendezeit sind wir uns zum ersten Mal flüchtig begegnet – im Dahlemer Pharmakologischen Institut. Näher kennen gelernt haben wir uns erst 1996, nach Aufnahme meiner Tätigkeit am FMP, das damals noch in Friedrichsfelde angesiedelt war. Unsere Büros waren beide im denkmalgeschützten Teils des Institutskomplexes – dem „Kavaliershaus", untergebracht. Wir sind uns entsprechend oft begegnet. Unsere Gespräche waren meist nicht „rein wissenschaftlicher Natur " (falls es das gibt), sondern eher mit wissenschaftshistorischen oder -politischen Inhalten angefüllt. Denn eins habe ich schnell begriffen: Peter Oehme ist ein strategischer Kopf. Das vorgelegte Werk belegt dies nachdrücklich, auch wenn der vom Autor gewählte Titel bescheiden in Richtung „Forschung und Lehre" weist.

Ganz gewiss stellt das Buch auch einen interessanten Beitrag zu Themen der pharmakologischen Forschung dar, die bis heute aktuell sind. Nehmen wir z. B. das Peptid Substanz P, das bei der Stressantwort des Organismus und bei der Sucht eine wichtige Rolle spielt: Die von Dir initiierte und betriebene Forschung auf diesem Gebiet war nicht nur international sichtbar, sondern in Teilen auch international führend, ihrer Zeit voraus. Eindrucksvoll ist auch, dass die Brücke von der „Grundlagenforschung" über den Selbstversuch bis hin zur Klinischen Forschung an Probanden und Patienten der Charité geschlagen wurde. Oder wenden wir uns dem Thema Interdisziplinarität zu: Am von Dir gegründeten Institut für Wirkstofforschung (IWF) in Friedrichsfelde arbeiteten klassische Pharmakologen, die etwas von Tierversuchen verstanden, eng mit Synthesechemikern, analytisch orientierten Chemikern und Bioinformatikern, die auf „drug design" spezialisiert waren, zusammen. Damit war das IWF bezogen auf Gesamtdeutschland ein Unikat. Auch der Wissenschaftsrat war davon beeindruckt, wenn er 1991 über das IWF schreibt: „Durch die enge Zusammenarbeit der verschiedenen Forschungsschwerpunkte stellt dieses Institut ein geglücktes Beispiel für interdisziplinäre Forschung dar" (Drs. 335/91). Vermutlich war das interdisziplinäre Profil wesentlich für die Empfehlung des Wissenschaftsrates, das Institut als Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) fortzuführen. Diese Zusammenführung von biologischer und chemischer Forschung – in den Nachwendejahren zunächst vernachlässigt – ist heute wieder zum Markenzeichen des FMP geworden. Und noch eine Parallele zum „alten Institut" ist zu erwähnen: Dem Technikum des IWF, das ein Synthese von Wirkstoffen im kg-Maßstab ermöglichte, entspricht die Screening Unit des FMP, die eine Identifizierung prototypischer Wirkstoffe erlaubt. Technikum und Screening Unit wurden beide mit der Absicht eingerichtet, Ergebnisse der Grundlagenforschung näher zur Anwendung, d.h. der Entwicklung neuer Arzneimittel, zu führen.

Deine Ausführungen machen uns deutlich, dass der Wissenschaft durch falsche politische Einflussnahme Schaden zugefügt wird. Bei Deiner Wertung hast Du Dich nicht auf die Rolle des nüchternen Chronisten beschränkt, sondern schreibst aus der Sicht des Handelnden und des Betroffenen. Du legst kein historisch nach allen Seiten hin ausgewogenes Werk, sondern eben eine Autobiographie vor, die mitteilt, was der Autor erlebt und empfunden hat. Viele, wenn auch nicht alle vorgetragenen Einschätzungen teile ich. Einig waren wir uns aber immer darin – und auch das entnehme ich Deinen Zeilen –, dass die wiedergewonnene deutsche Einheit trotz aller Verwerfungen und Einschnitte ein unverhoffte Chance ist, die zu gestalten wir (immer noch) aufgerufen sind.

 

In kollegialer Verbundenheit

Walter Rosenthal

Berlin, November 2005

[Prof. Dr. med. Walter Rosenthal ist seit 1996 Direktor des Forschungsinstituts für Molekulare Pharmakologie (FMP)]


Zum Buchinhalt

Gegenstand der Pharmakologie ist die Erforschung von Arzneimitteln und ihre Nutzbarmachung für die Medizin.

Für diese medizinische Disziplin hat Peter Oehme fast fünf Jahrzehnte in Lehre und Forschung gewirkt. In die wissenschaftliche Dynamik dieses Zeitraumes war er mit seinen Arbeiten zum Neuropeptid Substanz P und deren Funktion im Stress- und Adaptationsgeschehen international führend eingebunden.

Dreh- und Angelpunkt dieser Forschungsarbeiten war das von ihm 1976 in Berlin-Friedrichsfelde gegründete Institut für Wirkstoffforschung (IWF) der Akademie der Wissenschaften der DDR. Dieses Institut, in seinem funktionellen Zusammenwirken von experimentellen Pharmakologen, Synthesechemikern und Bioinformatikern war nicht nur für die DDR, sondern auch für Gesamtdeutschland, ein Unikat. Der Wissenschaftsrat der Bundesrepublik Deutschland bezeichnete deshalb 1991 das IWF als „ein geglücktes Beispiel für interdisziplinäre Forschung" und empfahl die Fortführung der Arbeiten.

Die weitere Entwicklung war für das IWF-Nachfolgeinstitut, das Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP), ein „rocky way" – ehe es sich auf dem renommierten Berlin-Bucher Medizincampus in einem modernen Laborneubau etablieren konnte. Heute ist das FMP das größte deutsche Institut der pharmakologischen Grundlagenforschung und knüpft mit seinem interdisziplinären Profil und seiner Zielstellung, die Grundlagenforschung näher an die Anwendung zu bringen, an IWF-Traditionen an.

Peter Oehme beschreibt in seiner Autobiografie die wissenschaftlichen und politischen Ereignisse bewusst aus der Sicht des Handelnden und Betroffenen. Obwohl die ungenutzten Chancen im Einigungsprozess für eine gesamtdeutsche Wissenschaftslandschaft kritisch dargestellt werden bleibt der Autor nicht dabei stehen, sondern sieht die deutsche Einheit als einen Prozess, den es weiter zu gestalten gilt.

Insgesamt gibt das Buch eine lebendige und spannende Beschreibung eines Wissenschaftlerlebens in Deutschland. Es ist nicht nur eine empfehlenswerte Lektüre für Mediziner verschiedener Fachrichtungen, sondern auch für all jene, die sich für disziplinäre und interdisziplinäre Wissenschaftsgeschichte – einschließlich der in der DDR – interessieren.

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

Anstelle eines Geleitwortes 7

Vorwort 9

 

Kindheit und Jugend

1 „Mein Leipzig lob ich mir" 11

2 Ein Sachse in Berlin 15

3 Studium der Humanmedizin 21

Die ersten Berufsjahre in der Charité

4 Einstieg in die Pharmakologie 27

5 Pharmakologie oder Klinik 36

6 Moleküle oder der ganze Mensch? 42

Zeit der Entscheidungen

7 Der Prager Frühling 1968 – Hoffnungen und Enttäuschungen 49

8 Arzneimittel und Gesellschaft 55

9 Der Auszug aus Berlin-Buch 61

Die Jahre in Berlin-Friedrichsfelde im Institut für Wirkstofforschung

10 Die ersten Schritte 65

11 Konsolidierungsphase 70

12 Newcomer IWF 75

13 Entdeckungen zum Neuropeptid Substanz P 78

14 Die Mühen der Ebene 82

15 Quo vadis Substanz P? 89

16 Weltweite Beziehungen für Substanz P 96

17 Zwischen Scylla und Charybdis 104

Die Wendezeit

18 Resignieren oder Aufbegehren? 115

19 Bewegte Wendezeit 120

Die deutsche Einheit – Chance für eine gemeinsame deutsche Wissenschaftslandschaft

20 Die Evaluierung durch den Wissenschaftsrat 127

21 Wissenschaft oder Politik? 131

22 The rocky way 140

Zehn Jahre später

23 Rückkehr nach Berlin-Buch 149

24 Bilanz und Rückbesinnung 153

 

Anhang

Anlage 1: Theoretische und klinische Aspekte der Sucht. Meine Begegnungen mit der Suchtforschung 171

Anlage 2: Niedrich, H., Gedicht anlässlich der Habilitation von P. Oehme und E. Göres 181

Anlage 3: Erfahrungen aus einem Akademie-Industrie-Komplex 183

Anlage 4: Persönliche Reflexionen zu den Vorzügen und Grenzen des Beitrages der medizinisch-wissenschaftlichen

                Gesellschaften zur medizinischen Forschung in der DDR 189

Anlage 5: Brief des Ministerpräsidenten de Maizière an P. Oehme vom 29.6.1990 195

Anlage 6: Einigungsvertrag, Artikel 38 197

Anlage 7: Brief von E. Ackermann an P. Oehme vom 10.2.1992 199

Anlage 8: Reflektionen über das IWF in Berlin-Friedrichsfelde aus Berlin-Bucher Sicht im Jahr 2000 201

 

Peter Oehme, wissenschaftlicher Werdegang 203

Auswahl bibliographischer Daten

1 Neuropharmakologie 205

2 Peptidforschung 207

3 Klinische Pharmakologie 218

4 Experimentelle Pharmakologie 220

5 Wirkstofforschung 224

6 Suchtforschung, Opioide 225

7 Wissenschaftsgeschichte 227

Personenregister 229

Sachwortregister 235

 

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