Renate Dürr 

Frauenarbeit in Haus, Handel und Gewerbe – Ihr Beitrag zur Hamburger Stadtwirtschaft im 14. Jahrhundert

[= Hochschulschriften, Bd. 10], 162 S., ISBN (10) 3-89626-543-1, ISBN (13) 978-3-89626-543-2, 26,80 EUR

Zum Inhalt

"Hinric Stoclef heft dat hus, dat Sunte Katharinen tohort unde steyt by unser leven vrowen hove, to veer jaren langk, des jares vor VIII mark.
Dar gift syn wif to I mark. Des en schal de man nicht weten (…)".

Dieser Mietvertrag des Jahres 1398 umschreibt die ambivalente wirtschaftliche Stellung der Frauen im 14. Jahrhundert besser als seitenlange Ausführungen über Grenzen und Möglichkeiten weiblicher Erwerbstätigkeit im Spätmittelalter. Denn die Frau des genannten Hinrich Stoclef mußte, um jährlich eine Mark zur gemeinsamen Miete beisteuern zu können, nicht nur selbständig über eigene Geldmittel verfügt haben, sie mußte diesen Vertrag auch selbst ausgehandelt haben. Insoweit scheinen also ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten nicht unbeträchtlich gewesen zu sein. Doch durfte ihr Mann all das nicht wissen … Bedeutet das, daß der Beitrag der Ehefrau verschwiegen werden sollte? Welche Rückschlüsse auf den Stellenwert und die Wertschätzung weiblicher Arbeitsleistung in der spätmittelalterlichen Gesellschaft lassen sich daraus ziehen?
Diese Frage möchte die vorliegende Arbeit aufgreifen und am Beispiel Hamburgs diskutieren. Aus zwei Gründen fiel die Wahl auf die Hansestadt. Denn einerseits ist die Quellenlage – insbesondere aufgrund der edierten Testamente des 14. Jahrhunderts – sehr erfreulich. Andererseits sind die Verhältnisse in Hamburg, was die rechtliche Seite anbelangte und in Bezug auf die Möglichkeit einer offiziellen Zunftmitgliedschaft von Frauen, als restriktiv zu bezeichnen. Mit der Herausarbeitung der wirtschaftlichen Stellung von Frauen in dieser Stadt lenkt man also den Blick nicht auf einen Ausnahmefall, wie ihn etwa Köln zu dieser Zeit darstellen würde.
Eine der Leitfragen der vorliegenden Arbeit wird sein, in welchen Bereichen Frauen im 14. Jahrhundert durch selbstverantwortliche Arbeit eigenes Einkommen erwirtschaften konnten. Dabei wird die Stellung der Frauen im Geschäftsleben von der im sonstigen Erwerbsleben unterschieden, da die beiden Bereiche sowohl in ihren Tätigkeiten wie vor allem bezüglich der Schichtzugehörigkeit der beteiligten Frauen nicht zu vergleichen sind. Unter Geschäftsleben sei all das verstanden, was im Zusammenhang mit dem Hamburger Fernhandel stand, d.h. die eigentlichen Käufe und Verkäufe sowie der diesen Handel fördernde Geld- und Kreditmarkt. Nach der Stellung der Frau im Geschäftsleben zu fragen bedeutet also, ihrer Rolle als Kauffrau und ihrer Bedeutung als Kapitalgläubigerin nachzugehen. Dagegen seien unter dem Begriff Erwerbsleben alle anderen Betätigungen erfaßt, sofern diese Einkünfte erwirtschafteten. Hiervon ist der Begriff "Berufstätigkeit" abzusetzen, da dieser eine hauptsächliche, relativ konstant ausgeübte Beschäftigung voraussetzt, mit der sich der oder die einzelne (als Schneider, Brauer oder Gänsehökerin) in soweit identifizierte, daß er bzw. sie sich schließlich über sie definierte. In der mittelalterlichen Gesellschaft aber spielte Berufstätigkeit in diesem Sinne keine so dominierende Rolle im Erwerbsleben wie heute. Verschiedene kleinere Arbeitsfelder miteinander zu kombinieren, war bei Männern wie bei Frauen weit verbreitet. Die Sicherung des gemeinsamen Haushaltseinkommens stand dabei für die Eheleute im Vordergrund, so daß sich die wirtschaftliche Stellung der Frauen nicht unabhängig von ihrer Stellung in Haus und Familie erklären läßt. Diese Frage ist in der neueren Forschung nicht selten aufgegriffen worden. In der vorliegenden Arbeit jedoch wird darüber hinaus der Versuch unternommen, die Bedeutung der Frauenarbeiten für die hamburgische Stadtwirtschaft herauszustellen und zu diskutieren.

Diese Studie geht auf meine Magisterarbeit zurück, die im Sommersemester 1988 an der FU Berlin eingereicht worden ist. Für die Drucklegung wurde sie geringfügig überarbeitet. Hauptsächlich die Forschungsdiskussion im ersten Kapitel wurde aktualisiert, so daß auch neuere Fragestellungen berücksichtigt sind. Leider muss nun auch die Drucklegung selbst auf eine über 7-jährige Geschichte zurückblicken. Die Forschungsdiskussion wurde nach 1998 nicht mehr aktualisiert.

Renate Dürr

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung 7

Teil I: Fragestellungen und Methoden 11

    I.1. Zum Forschungsstand 11

    I.1.1. Frauen im spätmittelalterlichen Zunfthandwerk 11

    I.1.2. Das Ehe- und Arbeitspaar 15

    I.2. Quellen, Fragestellungen und Methoden 18

    I.2.1. Die Quellenlage 18

    I.2.2. Die Analyse der Testamente 21

    I.2.2.1. Zum Quellencorpus der Hamburger Testamente 21

    I.2.2.2. Zur Aussagekraft der Testamente 23

    I.2.2.3. Zur Interpretation der Testamente 26

 

Teil II: Frauen in der Hamburger Stadtwirtschaft des 14. Jahrhunderts 33

    II.1. Die Stellung der Frauen im Hamburger Stadtrecht 33

    II.1.1. Das Hamburger Stadtrecht 33

    II.1.2. Die Geschäftsfähigkeit der Frauen 35

    II.1.3. Das Hamburgische Güterrecht 41

    II.1.4. Zusammenfassung 46

    II.2. Frauenarbeiten im Spiegel der Testamente 1351–1400 46

    II.2.1. Das selbst erworbene Vermögen der Frauen 47

    II.2.2. Kredit- und Kaufgeschäfte 49

    II.2.3. Die Vorbereitungszeit: der Gesindedienst 54

    II.2.4. Brauerei und Viehzucht 57

    II.2.5. Die wirtschaftliche Stellung der Frauen in der Familie 65

    II.2.6. Zusammenfassung 71

    II.3. Der Hamburger Rentenmarkt 1346–1385 73

    II.3.1. Allgemeine Angaben über den Hamburger Rentenmarkt 73

    II.3.2. Die Beteiligung der Frauen auf dem Rentenmarkt 78

    II.3.2.1. Der Umfang der Rentenkäufe von Frauen 80

    II.3.2.2. Der Umfang der Rentenverkäufe von Frauen 84

    II.3.2.3. Handelstätigkeiten von Frauen im Spiegel des Rentenmarktes 90

    II.3.3. Zusammenfassung 94

 

Teil III: Die Bedeutung der Frauenarbeiten für die Hamburger Stadtwirtschaft 97

    III.1. Die innerstädtischen Märkte 97

    III.1.1. Vorschriften bezüglich des Marktgeschehens 99

    III.1.2. Die Weitläufigkeit der innerstädtischen Märkte 103

    III.1.3. Frauenarbeiten im Spiegel der Kämmereirechnungen 108

    III.1.3.1. Frauen in den Hamburger Ämtern 109

    III.1.3.2. Frauen im innerstädtischen Kleinhandel 114

    III.1.4. Zusammenfassung 117

    III.2. Der Stellenwert der Hausproduktion 118

    III.2.1. Allgemeine Bedingungen der Hausproduktion 118

    III.2.2. Strukturelle Bedingungen der Hausproduktion 121

    III.2.3. Zusammenfassung 126

   

Schluss: Ergebnisse und Ausblick 127

 

Anhang 133

Tabellen und Grafiken 133

Literaturverzeichnis 141

Verzeichnis der Tabellen und Graphiken 158

Abkürzungsverzeichnis 160

 

Über die Autorin 161