trafo verlag 2005, ISBN 3-89626-518-0, ISBN 3-89626-518-2, 17, 80 EUR
Erich Hahn: Vorwort 7
Eröffnung
Lothar Ebner: Oranienburg und das Nachdenken über Toleranz 11
Jörg Roesler: Toleranz und ethnische Minderheiten in Europa – ein Rückblick 17
Beiträge
Hans Heinz Holz: Toleranz in einer pluralen Weltgesellschaft 21
Angelika Timm: Toleranz in der politischen Kultur als Voraussetzung für Konfliktmanagement in den interethnischen bzw. interreligiösen Beziehungen - Das Beispiel Israel 31
Ernstgert Kalbe: Integration und Desintegration in den südslawischen National-Bewegungen des 19./20. Jahrhunderts - ein Toleranzproblem? 47
Michael Schmidt: Multikulturell gemischte Arbeitsteams. Erfahrungsbericht aus einem international tätigen Unternehmen 79
Gerhard Weil: Toleranz im Spannungsfeld religiöser und kultureller Pluralität 89
Der gemeinsame Arbeitskreis „Toleranz" der Leibniz-Sozietät und des Mittelstandsverbandes Oberhavel stellt der Öffentlichkeit hiermit die Materialen der dritten Oranienburger Konferenz vor. Sie tagte am 23.Oktober 2004 im Saal der Oranienburger Pharma-Gesellschaft Altana. Das Thema lautete: „Toleranz im Spannungsfeld religiöser, sozialer und kultureller Pluralität".
Auf tragische Weise überschattet wurde die Veranstaltung durch den unerwarteten Tod unseres Freundes und Kollegen, Prof. Dr. Joachim Heidrich (Berlin), der wenige Monate zuvor die Verantwortung für die Konzeption der diesjährigen Tagung übernommen hatte und als Hauptreferent vorgesehen war. Aufrichtiger Dank gilt Prof. Hans Heinz Holz (S. Abbondio, Schweiz), der es kurzfristig übernahm, den einleitenden Beitrag für die Konferenz zu halten.
Dem Thema entsprechend galt es, einige der mit der heutigen Weltentwicklung gegebenen Facetten des Toleranzproblems zu beleuchten, zugleich aber und gerade auf diese Weise die theoretische und begriffliche Verständigung weiter zu treiben.
Das Referat von Prof. Holz unterschied grundlegende Ebenen menschlichen Weltverhaltens und Gemeinschaftslebens, auf denen sich das Toleranzproblem stellt: eine erkenntnistheoretische (Wahrheit/Falschheit), eine normativ-juristische und eine anthropologische. Auf jeder dieser Ebenen entfaltet sich ein Spannungsverhältnis von Intolerablem und Tolerablem. Ist beispielsweise der Wahrheitswert einer Erkenntnis festgestellt, kann es keine Toleranz des Falschen geben. In unabgeschlossenen Diskussionsprozessen hingegen sind alle nicht-absurden Auffassungen zu tolerieren. Oder: Gesetze und Verträge müssen befolgt werden. Schwierig aber ist es in Situationen, wo Sitte, Gewohnheit oder andere nicht eindeutige Normative unser Tun und Lassen bestimmen. Für die dritte Ebene wurde die Achtung vor dem Menschen als Vernunftwesen als bestimmendes Toleranzgebot herausgearbeitet. Denkbare Handlungsmaximen wurden zeitnah erörtert. Es ist zu hoffen, dass die gründliche Lektüre dieses Vortrages die fortgesetzten Bemühungen des Arbeitskreises um die Präzisierung der theoretischen Grundlagen seiner Aktivitäten befördert.
Die verhängnisvolle Rolle von Intoleranz aber auch Ansätze und Wirkungsmöglichkeiten von Toleranz in Regionen, deren brisante Konflikte immer wieder die Weltöffentlichkeit nachhaltig beschäftigen, kamen in den Referaten von Angelika Timm und Ernstgert Kalbe zur Sprache. Dr. Angelika Timm (Tel Aviv) zeichnete die gravierenden historischen, politischen, ethnischen und religiösen Konfliktlinien im Inneren der israelischen Gesellschaft nach, erörterte Lösungsansätze, konnte jedoch auch von beeindruckenden Aktivitäten berichten, die unter komplizierten Bedingungen bemüht sind, dem Gedanken der Toleranz Geltung zu verschaffen. Prof. Dr. Ernstgert Kalbe (Leipzig) warf als Fazit seines umfassenden Panoramas der widerspruchsvollen Integrations- und Desintegrationsprozesse in den südslawischen Nationalbewegungen des 19./20.Jahrhunderts die berechtigte Frage auf, ob der Umgang mit Toleranz in zwischennationalen Beziehungen konstanten ethischen und moralischen Prinzipien verpflichtet sein könne oder als variables Postulat gehandhabt werde, das jeweiligen Machtinteressen und Kräfteverhältnissen unterworfen sei.
Der Absicht unseres Arbeitskreises entsprechend, künftig der Wirtschaft als Bewährungsfeld von Toleranz/Intoleranz verstärkt Aufmerksamkeit zu schenken, referierte Michael Schmidt (Director HR Service Germany) von „Bombardier Transportation GmbH" über Erfahrungen und Erfordernisse toleranten Verhaltens in einem multinationalen Unternehmen im Prozess zunehmender Internationalisierung des Wirtschaftslebens. Ein Eindruck davon wurde vermittelt, mit welchen zwischenmenschlichen kulturellen Beziehungen ein Unternehmen konfrontiert ist, welches 35.000 Mitarbeiter in 23 Ländern an 52 Produktionsstandorten beschäftigt und sich durch eine beträchtliche technische, ökonomische, kommerzielle und soziale Dynamik auszeichnet.
Dr. Gerhard Weil vom Berliner „Landesinstitut für Schule und Medien" sprach über die multikulturelle Situation an Berliner Schulen und Erfahrungen bei der Gestaltung des Bildungswesens als „Schlüssel zur Toleranzerziehung und Bollwerk gegen Intoleranz". Interessanten Erfahrungen wäre nachzugehen, beispielsweise der, dass Stadtbezirke mit einem hohen Anteil von Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache, also mit einem intensiven multikulturellen Zusammenleben gerade nicht die mit den aktivsten rechtsextremistischen Szenen darstellen!
Nach allen Referaten wurde die Möglichkeit zu Anfragen, Einwänden und Stellungnahmen genutzt.
Ein wichtiges Novum war, dass den Konferenzteilnehmern eine sechsseitige großformatige Sonderveröffentlichung des „Oranienburger Generalanzeigers" vom gleichen Tage vorlag, die neben einem fundierten Beitrag von Prof. Dr. Lothar Ebner „Oranienburg und das Nachdenken über Toleranz" Materialien der vom Arbeitskreis veranstalteten Schülercolloquien vorstellte - Referenten waren Steffen Reiche, ehemals Minister für Jugend, Bildung und Sport, Prof. Dr. Lothar Kolditz (Chemiker) und Prof. Dr. Hermann Kienner (Jurist). Konferenzberichte erschienen u.a. in der „Märkischen Allgemeinen", im „Oranienburger Generalanzeiger" und in „mein-oberhavel Internet GbR".
Aufrichtiger Dank gilt allen, ohne deren Engagement und Tatkraft auch diese Konferenz nicht hätte stattfinden können - allen Sponsoren, den Mitgliedern, Mitarbeitern und Konferenz-Moderatoren des Mittelstandsverbandes Oberhavel, den Mitarbeitern der Firma „Protecum" und der Firma „Altana". Monika Müller ist ein weiteres Mal zu danken für aufwendige Textarbeit!
Berlin, Februar 2005 Erich Hahn