Vorwort
Ob Wahrheit
oder Mythos – die anscheinend liebebegeisterten Französinnen und
Franzosen haben es im Laufe von Jahrhunderten geschafft: Frankreich gilt
als das Land der Liebe schlechthin.
Vielleicht ist
man nirgends so überzeugt davon wie im deutschen Nachbarland. Umso
verwunderlicher, dass man hierzulande nie versucht hat, all das, was
diesem Ruf zugrunde liegt, einmal genauer zu betrachten, ja, regelrecht zu
erforschen.
Ob ein solches
Vorhaben als zu frivol erschien? Vielleicht ... nicht aber für eine
Eingeborene, von der sowieso angenommen wird, dass sie mit frivolen Themen
umgehen kann.
So richtete ich
einen lustig-lustvollen Panoramablick auf alle möglichen Aspekte der
Liebe in Frankreich, allen voran die nicht ganz dezenten, recherchierte,
staunte ab und an und entdeckte sogar einiges, was die Franzosen
inzwischen verdrängt oder vergessen haben.
Bei dieser
globalen Vision entstand ein facettenreiches Kaleidoskop, das mit der
Kunst des Flirts und mit Aphrodisiaka sanft auf das Thema einstimmt, sich
vom Baiser bis zum Orgasmus steigert und crescendo über die Bordelle bei
der erotischen Literatur und den Chansons landet, ohne natürlich die
Hauptakteure und deren Geschichte und Mentalität außer Acht zu lassen.
All das gilt es
jetzt zu entdecken, was zum Liebesruhm Frankreichs beigetragen hat. Denn
unabhängig davon, ob die Nachfahren von Astérix es öfter und besser
treiben: Sie sprechen, singen, dichten und schreiben ständig darüber und
haben die Geschichte der Liebe nachhaltig geprägt.
Leseprobe
Trüffel,
mon amour,
aber nicht nur...
Getrüffelte
Sprünge durch die Geschichte
»Vor deinem
Nachbarn hüte besonders:
deine Frau, deine Trüffel und deinen Garten«
Französisches
Sprichwort
Dieser von
Franz I. besonders gepriesene Pilz ist zwar eher hässlich, aber wie so
oft im echten Leben sind die Hässlichsten nicht immer die Schlechtesten!
Wissenschaftliche Untersuchungen haben nachgewiesen, dass sie tatsächlich
eine Substanz enthalten, die den männlichen Hormonen »Androgenen« sehr
nahe kommt. Und ein weniger wissenschaftlicher Nachweis: Wer suchet und
findet die Trüffel? Schweine, und noch dazu nur die männlichen, die
sogenannten Zuchteber! Kein Wunder!
Sich nur auf
die Schweine verlassend, hatte Brillat-Savarin, der wohl berühmteste Koch
Frankreichs, den aphrodisischen Eigenschaften dieses Pilzes unter anderem
folgenden Vierzeiler gewidmet.
»Trinken
wir auf die schwarze Trüffel,
Und
seien wir nicht undankbar,
Sie
garantiert den Sieg
In
den charmantesten Kämpfen«
Dennoch, wie so
oft hat die Sache einen Haken, denn eine Untersuchung hat zu Tage
gebracht, dass 250g (!) Trüffel notwendig sind, um eine Wirkung
auszuüben. Also nicht gerade ein sozialistisches Aphrodisiakum.
Alles in allem
kostet dieser Pilz wesentlich mehr als Viagra, hat aber den Vorteil, dass
er viel besser schmeckt! Napoleon soll übrigens seinen Sohn nach einem
Trüffelessen mit Champagner gezeugt haben. Ob er aber 250g davon gegessen
hatte, ist nicht bekannt.
Wenn wir schon
bei Napoleon sind, wollen wir ein weiteres Geheimnis lüften. Lüften ist
in diesem Fall ein sehr zutreffendes Wort, denn Napoleon brauchte nicht
nur Trüffel, sondern war anscheinend für weibliche Gerüche ebenso sehr
empfänglich. Einer Legende nach soll er es vorgezogen haben, wenn bei
gewissen Leibesübungen seine Josephine gerade nicht frisch gewaschen war
– um es etwas euphemistisch zu formulieren! Mit dem Spruch: »Joséphine,
wasch dich nicht mehr, ich komme!« wächst jedes französische Kind auf.
Das soll Napoléon der Kaiserin ein paar Mal mitgeteilt haben. Hoffentlich
schriftlich und wohl versiegelt, aber wiederum nicht so, dass solche
Gerüchte (diesmal nicht die Gerüche!) nicht in die Geschichte eingingen.
Eine letzte
Enthüllung zum Schluss, die, liebe Leserinnen und Leser, zwar Ihr Leben
nicht unbedingt verändern wird, aber dennoch: Napoleons Glied existiert
noch! Doch! Es soll konserviert worden sein. 6
Einige meinen zwar, es sei nur ein Stück seiner Rippe gewesen... Nun,
wenn man daran denkt, was vor einigen tausend Jahren aus Adams Rippe
geschnitzt wurde...
Aber zurück
zur Wirkung der Trüffel. Als kleiner Trost für alle, die sich keine
leisten können, sei verkündet: Knoblauch tut’s auch. Aphrodite sei
Dank! Der Göttin der Liebe war die Wirkung des Knoblauchs nicht
entgangen, so dass er zu ihren Liebeselixieren gehörte. Heinrich IV. aß
ihn jeden Morgen, und wenn es einen heißen Hecht gab, dann war er einer.
Allerdings soll man damals gegenüber Gerüchen weniger empfindlich als
empfänglich (siehe Napoléon!) gewesen sein.
Einige
Jahrhunderte später bevorzugte Victor Hugo, der bekanntlich für Frauen
mehr als nur ein Herz hatte, Zwiebeln. Zwiebeln sind zwar zehnmal
weniger wirksam als Knoblauch, aber das literarische Genie hatte sehr
früh verstanden, dass Frauen zwar an einer extremen Potenz Gefallen
finden konnten, dass aber der Geruch des Knoblauchs dieselben Frauen
verjagen würde, bevor er sie von seinen nicht nur literarischen Talenten
überzeugen konnte. Schließlich war man nun, im 19. Jahrhundert,
Gerüchen gegenüber etwas empfindlicher geworden (bis auf Napoleon!).
Übrigens: nicht ohne Grund wird diese Potenz hier erwähnt, denn Victor
Hugo soll sich gerühmt haben, in einer Nacht 14 Male geliebt zu haben!
Es sei
angemerkt, dass wir Stierhoden, Tigerpenisse und sonstige
Geschlechtssteile aller möglichen Spezies der Erde hier außer Acht
lassen, denn ihnen gilt in Frankreich kein besonderes Interesse – ganz
abgesehen davon, dass sie auf französischem Boden ohnehin nicht so leicht
zu finden sind. Halten wir uns lieber an das Grünzeug, das uns zu ein
paar (Seiten)Sprüngen durch die Jahrhunderte veranlassen wird.
Einige
Gemüsearten waren lange Zeit Favoriten im aphrodisischen Feld, bis die
Wissenschaft zu Tage brachte, dass die ganze Mühe umsonst gewesen war. So
mit den Artischocken, die im 17. Jahrhundert zu diesem bestimmten Zweck in
Frankreich sehr beliebt waren. Vielleicht regte dieses Gemüse die
damaligen Fantasien an, weil sie (die Artischocke) sich nach und nach
entkleiden lässt, aber vor allem weil sie einen langen Stiel hat. Dieser
Stiel ist zwar kaum essbar, aber in den damaligen Zeiten existierten
Rezepte, um diesem Gemüseteil mehr Reize abzugewinnen. Jedenfalls stand
die Artischocke damals in dem Ruf, in weiblichen Wesen Sexhunger
hervorzurufen.
Auch der
Spargel ist in dieser Hinsicht nutzlos. Er enthält nichts, was das
frühjährliche Erwachen der Sinne unterstützen könnte. Er hat jedoch
ebenso diese lange phantasieanregende Form... Früher ziemte es sich, den
Spargel mit den Fingern zu essen und zu lutschen. Dabei sollte man seinen
Mitesser angucken. Der Blick brauchte nicht direkt lasziv zu sein. Im
Gegenteil: In den Knigges der Zeit wurde empfohlen, dabei diskret zu
bleiben. Die aphrodisische Wirkung des Spargels bestand allein darin, sein
Gegenüber auf nette Ideen zu bringen.
Am Sellerie
andererseits scheint, von einem wissenschaftlich-aphrodisischen Standpunkt
her gesehen, »etwas dran zu sein«. Ein französisches Sprichwort hat das
für die Ewigkeit festgehalten:
»Wenn
frau wüsste, wie gut der Sellerie dem Manne tut,
würde
sie danach suchen von Paris bis Rom«
Madame de
Pompadour, Favoritin von Ludwig XV., ließ sich Sellerie, entweder als
Suppe oder Gratin, fast zu jeder Mahlzeit servieren. Sie stellte
regelrecht aphrodisische Menüs für sich zusammen, mit Sellerie und
Trüffeln (Kakao kam auch noch dazu, aber das heben wir für den süßen
Teil auf). Durch diese Gerichte versuchte sie sich in die richtige
Stimmung zu bringen: So erstaunlich wie es sein mag für eine Favoritin,
die ihren sozialen Aufstieg dem königlichen Bett und einigen anderen zu
verdanken hatte, war sie auf Liebesübungen gar nicht so sehr scharf. Aber
schließlich musste sie Ludwig XV. einiges bieten. Zwar war der König ein
Spätzünder, der zu seinem ersten »Sexglück« gezwungen werden musste,
aber ab dann wohl nicht mehr zu bremsen war.
Auch Ludwigs
Vater, also der 14. Ludwig, war für seine Heldentaten bei Frauen bekannt,
bis der Sonnenkönig, wie jedermann einmal, nicht mehr konnte. Das
gewöhnliche Volk mit ähnlichen Problemen durfte bzw. musste sich nach
wie vor mit dem Gras der Satyrn – so nennen die Franzosen das
Pfefferkraut – begnügen, das in solchen Fällen als Wundermittel galt.
Aber für den König, der sein ganzes Leben als Satyr verbracht hatte,
reichte das wohl nicht aus. So schenkte man ihm die Königin aller
Aphrodisiaka, nämlich Ginseng, sogar in Form einer 300 Jahre alten
Ginsengwurzel! Ob der Ginseng dem König half, ist leider wie so manches
andere nicht in die Annalen der Geschichte eingegangen.
Bei so vielen
potenten Königen könnte man allmählich den Eindruck gewinnen, dass alle
französischen Könige Schürzenjäger gewesen wären – aber weit
gefehlt: Es gab viele Ludwige, die im Bett nicht unbedingt »bella figura«
machten... aber hierzu will ich schwei gen, denn man möchte ja nicht dem
Ruf der eigenen Landsleute schaden.
Gewürze
hätten einigen von ihnen durchaus helfen können, denn deren Wirkung
scheint nachgewiesen zu sein. Das sind nämlich sogenannte ableitende
Mittel, die das Blut in alle Körperteile schicken, vor allem die, auf die
es ankommt. Vor Safran allerdings sollte besser gewarnt werden. Bei zu
großen Mengen erzeugt es anscheinend Lachanfälle, was in gewissen
Momenten sicherlich nicht zur ersehnten Wirkung gehört. Bei fast gleichen
Preisen greifen Sie lieber zu bewährten Köstlichkeiten wie den
Trüffeln!
Eine letzte
Anmerkung zum Thema Trüffel: Es sind zwei deutsche Wissenschaftler, die
deren eindeutige Wirkung nachgewiesen haben. Wir wollen hoffen, dass sie,
wie viele Wissenschaftler vor ihnen – ihre Entdeckung am eigenen Leibe
testen konnten. ...
* * * |
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
11
Liebe,
Genuss und Orgel 13
Amour
toujours 13
Doch
durch den Magen 16
Auf
Stadtplänen und Karten 17
Der
Flirt oder die Leichtigkeit des Redens 19
Mit
einem Blümchen begann’s 19
Die
Risiken der Galanterie 20
Die
Rückkehr des verlorenen Wortes 21
Auch
ein Thema für Intellektuelle 23
Der
Flirt als Reflex 26
Trüffel,
mon amour, aber nicht nur... 27
Getrüffelte
Sprünge durch die Geschichte 27
Grünzeug
und Gewürze 29
Von
der Wirkung der Auster bis zu ihrem Ableben 31
Eisenkraut nach Wein muss sein 33
(Liebes)apfelsaft
für die kleinen Gallier 33
Immer
wieder Trüffel – aber mit Schokolade 34
Auch
mit Heu und Essig 37
Vom
Kuss zum Orgasmus 39
The
French Kiss 39
Der
Pariser 41
Der
Orgasmus 44
Der
große und der kleine Tod: die Epectase 45
Das
Eigentliche 49
Die
Bagatelle 49
Der
andere Baiser 51
Zauberflöte
und Walzertänzerinnen 53
Die
weiblichen Attribute 55
Der
Alleingang 56
Der
Pluralismus 58
Von
den Liebesakademien, ihren Bewohnerinnen
und
deren Verehrern 63
Wie
alles anfing 63
Vom
Zusammenhang zwischen Bordell und Genie 64
Bordelle
auch als Ateliers? 65
Über
die Funktion des Sessels 67
Von
Fischen und Vögeln 70
Die
Französin: Jeanne d’Arc mit Netzstrümpfen? 73
Statistische
Enthüllungen (nur für Männer ...
und
neugierige Frauen) 73
Mit
Kettenhemd und Feder 77
Ein
Herz für Männer 82
Das
Land der Frauen 82
Himmel,
mein Mann! 85
Heimlicher
Stolz 87
Der
Homo Erectus Gallicus 89
Einige
Statistiken 89
Ruf
verpflichtet 91
Am
Anfang war die séduction 92
Auch
mit Stößen und Waffeln 94
Von
Untreue und Beständigkeit 97
Stichwort
Toleranz – aber nicht bei allen 98
Die
Bandbreite einer Mentalität 101
Das
Lieblingsthema 101
Die
Tabus 104
Grob
oder pervers? 106
Nicht
ohne Wortspiele 108
Haute
Couture und Hot Littérature 113
Zur
Entstehung der Sucht 113
Der
ewige Kampf mit der Justiz 115
Eine
französische Kindheit 119
Lehrjahre
der Erotik 122
Literarische
Weiterbildung 127
Der
weibliche Blick auf die Literatur 131
Die
Antwort auf die Ausgangsfrage 133
In
Frankreich endet alles mit Chansons 135
Am
Anfang war der Barde 135
Chansons
statt Zeitung 138
Die
Palette der Liebeslieder 142
Kinderlieder
und Zweideutigkeit? 144
Der
geile Gorilla 147
Die
erotischen Hits 149
Die
Zukunft 155
Anhang
159
Anmerkungen
161
Glossar
165
Bibliographie
169
Danksagung
173
Über
die Autorin
175
Über
die Karikaturistin
177
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