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Jacqueline Cornille Sword

Vive l'amour! Vom Mythos der Liebe in Frankreich

trafo verlag 2005, 177 S., 13 Karikaturen von Kornelia Wigh, ISBN 32-89626-505-9, 14,80 EUR

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ZU DEN REZENSIONEN

Vorwort

Ob Wahrheit oder Mythos – die anscheinend liebebegeisterten Französinnen und Franzosen haben es im Laufe von Jahrhunderten geschafft: Frankreich gilt als das Land der Liebe schlechthin.

Vielleicht ist man nirgends so überzeugt davon wie im deutschen Nachbarland. Umso verwunderlicher, dass man hierzulande nie versucht hat, all das, was diesem Ruf zugrunde liegt, einmal genauer zu betrachten, ja, regelrecht zu erforschen.

Ob ein solches Vorhaben als zu frivol erschien? Vielleicht ... nicht aber für eine Eingeborene, von der sowieso angenommen wird, dass sie mit frivolen Themen umgehen kann.

So richtete ich einen lustig-lustvollen Panoramablick auf alle möglichen Aspekte der Liebe in Frankreich, allen voran die nicht ganz dezenten, recherchierte, staunte ab und an und entdeckte sogar einiges, was die Franzosen inzwischen verdrängt oder vergessen haben.

Bei dieser globalen Vision entstand ein facettenreiches Kaleidoskop, das mit der Kunst des Flirts und mit Aphrodisiaka sanft auf das Thema einstimmt, sich vom Baiser bis zum Orgasmus steigert und crescendo über die Bordelle bei der erotischen Literatur und den Chansons landet, ohne natürlich die Hauptakteure und deren Geschichte und Mentalität außer Acht zu lassen.

All das gilt es jetzt zu entdecken, was zum Liebesruhm Frankreichs beigetragen hat. Denn unabhängig davon, ob die Nachfahren von Astérix es öfter und besser treiben: Sie sprechen, singen, dichten und schreiben ständig darüber und haben die Geschichte der Liebe nachhaltig geprägt.

 

Leseprobe

Trüffel, mon amour,
aber nicht nur...

Getrüffelte Sprünge durch die Geschichte

»Vor deinem Nachbarn hüte besonders:
deine Frau, deine Trüffel und deinen Garten«

Französisches Sprichwort

Dieser von Franz I. besonders gepriesene Pilz ist zwar eher hässlich, aber wie so oft im echten Leben sind die Hässlichsten nicht immer die Schlechtesten! Wissenschaftliche Untersuchungen haben nachgewiesen, dass sie tatsächlich eine Substanz enthalten, die den männlichen Hormonen »Androgenen« sehr nahe kommt. Und ein weniger wissenschaftlicher Nachweis: Wer suchet und findet die Trüffel? Schweine, und noch dazu nur die männlichen, die sogenannten Zuchteber! Kein Wunder!

Sich nur auf die Schweine verlassend, hatte Brillat-Savarin, der wohl berühmteste Koch Frankreichs, den aphrodisischen Eigenschaften dieses Pilzes unter anderem folgenden Vierzeiler gewidmet.

»Trinken wir auf die schwarze Trüffel,

Und seien wir nicht undankbar,

Sie garantiert den Sieg

In den charmantesten Kämpfen«

Dennoch, wie so oft hat die Sache einen Haken, denn eine Untersuchung hat zu Tage gebracht, dass 250g (!) Trüffel notwendig sind, um eine Wirkung auszuüben. Also nicht gerade ein sozialistisches Aphrodisiakum.

Alles in allem kostet dieser Pilz wesentlich mehr als Viagra, hat aber den Vorteil, dass er viel besser schmeckt! Napoleon soll übrigens seinen Sohn nach einem Trüffelessen mit Champagner gezeugt haben. Ob er aber 250g davon gegessen hatte, ist nicht bekannt.

Wenn wir schon bei Napoleon sind, wollen wir ein weiteres Geheimnis lüften. Lüften ist in diesem Fall ein sehr zutreffendes Wort, denn Napoleon brauchte nicht nur Trüffel, sondern war anscheinend für weibliche Gerüche ebenso sehr empfänglich. Einer Legende nach soll er es vorgezogen haben, wenn bei gewissen Leibesübungen seine Josephine gerade nicht frisch gewaschen war – um es etwas euphemistisch zu formulieren! Mit dem Spruch: »Joséphine, wasch dich nicht mehr, ich komme!« wächst jedes französische Kind auf. Das soll Napoléon der Kaiserin ein paar Mal mitgeteilt haben. Hoffentlich schriftlich und wohl versiegelt, aber wiederum nicht so, dass solche Gerüchte (diesmal nicht die Gerüche!) nicht in die Geschichte eingingen.

Eine letzte Enthüllung zum Schluss, die, liebe Leserinnen und Leser, zwar Ihr Leben nicht unbedingt verändern wird, aber dennoch: Napoleons Glied existiert noch! Doch! Es soll konserviert worden sein.6 Einige meinen zwar, es sei nur ein Stück seiner Rippe gewesen... Nun, wenn man daran denkt, was vor einigen tausend Jahren aus Adams Rippe geschnitzt wurde...

Aber zurück zur Wirkung der Trüffel. Als kleiner Trost für alle, die sich keine leisten können, sei verkündet: Knoblauch tut’s auch. Aphrodite sei Dank! Der Göttin der Liebe war die Wirkung des Knoblauchs nicht entgangen, so dass er zu ihren Liebeselixieren gehörte. Heinrich IV. aß ihn jeden Morgen, und wenn es einen heißen Hecht gab, dann war er einer. Allerdings soll man damals gegenüber Gerüchen weniger empfindlich als empfänglich (siehe Napoléon!) gewesen sein.

Einige Jahrhunderte später bevorzugte Victor Hugo, der bekanntlich für Frauen mehr als nur ein Herz hatte, Zwiebeln. Zwiebeln sind zwar zehnmal weniger wirksam als Knoblauch, aber das literarische Genie hatte sehr früh verstanden, dass Frauen zwar an einer extremen Potenz Gefallen finden konnten, dass aber der Geruch des Knoblauchs dieselben Frauen verjagen würde, bevor er sie von seinen nicht nur literarischen Talenten überzeugen konnte. Schließlich war man nun, im 19. Jahrhundert, Gerüchen gegenüber etwas empfindlicher geworden (bis auf Napoleon!). Übrigens: nicht ohne Grund wird diese Potenz hier erwähnt, denn Victor Hugo soll sich gerühmt haben, in einer Nacht 14 Male geliebt zu haben!

Es sei angemerkt, dass wir Stierhoden, Tigerpenisse und sonstige Geschlechtssteile aller möglichen Spezies der Erde hier außer Acht lassen, denn ihnen gilt in Frankreich kein besonderes Interesse – ganz abgesehen davon, dass sie auf französischem Boden ohnehin nicht so leicht zu finden sind. Halten wir uns lieber an das Grünzeug, das uns zu ein paar (Seiten)Sprüngen durch die Jahrhunderte veranlassen wird.

Einige Gemüsearten waren lange Zeit Favoriten im aphrodisischen Feld, bis die Wissenschaft zu Tage brachte, dass die ganze Mühe umsonst gewesen war. So mit den Artischocken, die im 17. Jahrhundert zu diesem bestimmten Zweck in Frankreich sehr beliebt waren. Vielleicht regte dieses Gemüse die damaligen Fantasien an, weil sie (die Artischocke) sich nach und nach entkleiden lässt, aber vor allem weil sie einen langen Stiel hat. Dieser Stiel ist zwar kaum essbar, aber in den damaligen Zeiten existierten Rezepte, um diesem Gemüseteil mehr Reize abzugewinnen. Jedenfalls stand die Artischocke damals in dem Ruf, in weiblichen Wesen Sexhunger hervorzurufen.

Auch der Spargel ist in dieser Hinsicht nutzlos. Er enthält nichts, was das frühjährliche Erwachen der Sinne unterstützen könnte. Er hat jedoch ebenso diese lange phantasieanregende Form... Früher ziemte es sich, den Spargel mit den Fingern zu essen und zu lutschen. Dabei sollte man seinen Mitesser angucken. Der Blick brauchte nicht direkt lasziv zu sein. Im Gegenteil: In den Knigges der Zeit wurde empfohlen, dabei diskret zu bleiben. Die aphrodisische Wirkung des Spargels bestand allein darin, sein Gegenüber auf nette Ideen zu bringen.

Am Sellerie andererseits scheint, von einem wissenschaftlich-aphrodisischen Standpunkt her gesehen, »etwas dran zu sein«. Ein französisches Sprichwort hat das für die Ewigkeit festgehalten:

»Wenn frau wüsste, wie gut der Sellerie dem Manne tut,

würde sie danach suchen von Paris bis Rom«

Madame de Pompadour, Favoritin von Ludwig XV., ließ sich Sellerie, entweder als Suppe oder Gratin, fast zu jeder Mahlzeit servieren. Sie stellte regelrecht aphrodisische Menüs für sich zusammen, mit Sellerie und Trüffeln (Kakao kam auch noch dazu, aber das heben wir für den süßen Teil auf). Durch diese Gerichte versuchte sie sich in die richtige Stimmung zu bringen: So erstaunlich wie es sein mag für eine Favoritin, die ihren sozialen Aufstieg dem königlichen Bett und einigen anderen zu verdanken hatte, war sie auf Liebesübungen gar nicht so sehr scharf. Aber schließlich musste sie Ludwig XV. einiges bieten. Zwar war der König ein Spätzünder, der zu seinem ersten »Sexglück« gezwungen werden musste, aber ab dann wohl nicht mehr zu bremsen war.

Auch Ludwigs Vater, also der 14. Ludwig, war für seine Heldentaten bei Frauen bekannt, bis der Sonnenkönig, wie jedermann einmal, nicht mehr konnte. Das gewöhnliche Volk mit ähnlichen Problemen durfte bzw. musste sich nach wie vor mit dem Gras der Satyrn – so nennen die Franzosen das Pfefferkraut – begnügen, das in solchen Fällen als Wundermittel galt. Aber für den König, der sein ganzes Leben als Satyr verbracht hatte, reichte das wohl nicht aus. So schenkte man ihm die Königin aller Aphrodisiaka, nämlich Ginseng, sogar in Form einer 300 Jahre alten Ginsengwurzel! Ob der Ginseng dem König half, ist leider wie so manches andere nicht in die Annalen der Geschichte eingegangen.

Bei so vielen potenten Königen könnte man allmählich den Eindruck gewinnen, dass alle französischen Könige Schürzenjäger gewesen wären – aber weit gefehlt: Es gab viele Ludwige, die im Bett nicht unbedingt »bella figura« machten... aber hierzu will ich schwei gen, denn man möchte ja nicht dem Ruf der eigenen Landsleute schaden.

Gewürze hätten einigen von ihnen durchaus helfen können, denn deren Wirkung scheint nachgewiesen zu sein. Das sind nämlich sogenannte ableitende Mittel, die das Blut in alle Körperteile schicken, vor allem die, auf die es ankommt. Vor Safran allerdings sollte besser gewarnt werden. Bei zu großen Mengen erzeugt es anscheinend Lachanfälle, was in gewissen Momenten sicherlich nicht zur ersehnten Wirkung gehört. Bei fast gleichen Preisen greifen Sie lieber zu bewährten Köstlichkeiten wie den Trüffeln!

Eine letzte Anmerkung zum Thema Trüffel: Es sind zwei deutsche Wissenschaftler, die deren eindeutige Wirkung nachgewiesen haben. Wir wollen hoffen, dass sie, wie viele Wissenschaftler vor ihnen – ihre Entdeckung am eigenen Leibe testen konnten. ...

* * *

Inhaltsverzeichnis

Vorwort 11

 

Liebe, Genuss und Orgel 13

Amour toujours 13

Doch durch den Magen 16

Auf Stadtplänen und Karten 17

Der Flirt oder die Leichtigkeit des Redens 19

Mit einem Blümchen begann’s 19

Die Risiken der Galanterie 20

Die Rückkehr des verlorenen Wortes 21

Auch ein Thema für Intellektuelle 23

Der Flirt als Reflex 26

Trüffel, mon amour, aber nicht nur... 27

Getrüffelte Sprünge durch die Geschichte 27

Grünzeug und Gewürze 29

Von der Wirkung der Auster bis zu ihrem Ableben 31
Eisenkraut nach Wein muss sein 33

(Liebes)apfelsaft für die kleinen Gallier 33

Immer wieder Trüffel – aber mit Schokolade 34

Auch mit Heu und Essig 37

Vom Kuss zum Orgasmus 39

The French Kiss 39

Der Pariser 41

Der Orgasmus 44

Der große und der kleine Tod: die Epectase 45

Das Eigentliche 49

Die Bagatelle 49

Der andere Baiser 51

Zauberflöte und Walzertänzerinnen 53

Die weiblichen Attribute 55

Der Alleingang 56

Der Pluralismus 58

Von den Liebesakademien, ihren Bewohnerinnen

und deren Verehrern 63

Wie alles anfing 63

Vom Zusammenhang zwischen Bordell und Genie 64

Bordelle auch als Ateliers? 65

Über die Funktion des Sessels 67

Von Fischen und Vögeln 70

Die Französin: Jeanne d’Arc mit Netzstrümpfen? 73

Statistische Enthüllungen (nur für Männer ...

und neugierige Frauen) 73

Mit Kettenhemd und Feder 77

Ein Herz für Männer 82

Das Land der Frauen 82

Himmel, mein Mann! 85

Heimlicher Stolz 87

Der Homo Erectus Gallicus 89

Einige Statistiken 89

Ruf verpflichtet 91

Am Anfang war die séduction 92

Auch mit Stößen und Waffeln 94

Von Untreue und Beständigkeit 97

Stichwort Toleranz – aber nicht bei allen 98

Die Bandbreite einer Mentalität 101

Das Lieblingsthema 101

Die Tabus 104

Grob oder pervers? 106

Nicht ohne Wortspiele 108

Haute Couture und Hot Littérature 113

Zur Entstehung der Sucht 113

Der ewige Kampf mit der Justiz 115

Eine französische Kindheit 119

Lehrjahre der Erotik 122

Literarische Weiterbildung 127

Der weibliche Blick auf die Literatur 131

Die Antwort auf die Ausgangsfrage 133

In Frankreich endet alles mit Chansons 135

Am Anfang war der Barde 135

Chansons statt Zeitung 138

Die Palette der Liebeslieder 142

Kinderlieder und Zweideutigkeit? 144

Der geile Gorilla 147

Die erotischen Hits 149

Die Zukunft 155

 

Anhang 159

 

Anmerkungen 161

 

Glossar 165

 

Bibliographie 169

 

Danksagung 173

 

Über die Autorin 175

 

Über die Karikaturistin 177