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Dornik, Wolfram

Erinnerungskulturen im Cyberspace. Eine Bestandsaufnahme österreichischer Websites zu Nationalsozialismus und Holocaust

[= Network Cultural Diversity and New Media, Bd. 2], 284 S., zahlr. Abb., ISBN 3-89626-479-6

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Zu den Rezensionen

 

Vorwort

Geschichtswissenschaft handelt notwendigerweise immer von Vergangenem. Das gilt selbst dann, wenn sie, wie dies für die Teildisziplin Zeitgeschichte charakteristisch ist, bis an die Gegenwart heranreicht und ihre Fragestellungen auch aus dieser Gegenwart bezieht.

Arbeit mit und an der Vergangenheit bedingt, dass Historikerinnen und Historiker mit den Kommunikationstechniken früherer Zeiten vertraut sein müssen. Da geht es um das Entschlüsseln von Botschaften in Formen, die uns heute nicht mehr geläufig sind. Gleichzeitig aber sind die zeitgenössischen Techniken anzuwenden, um die Resultate zu kommunizieren und neue Möglichkeiten der Bewältigung von Masseninformationen in Speicherung und Analyse nützen zu können.

Geschichtswissenschaft ist in ihren Fragestellungen wie jedes andere kultur-, geistes- oder sozialwissenschaftliche Fach Moden und Trends unterworfen. Gerade die Zeitgeschichte spürt dies besonders stark. Unter den Themen, die in den letzten Jahren dominant waren, nimmt dabei die Frage der Erinnerungskultur einen wichtigen Platz ein. Die Frage des Gedächtnisses, der individuellen, der kollektiven, der kulturellen Form, mit Erinnerung umzugehen, hat die theoretische Diskussion dominiert. Dabei kam dem Begriff „Gedächtnisort" zentrale Bedeutung zu, der für die Historikerinnen und Historiker in gewisser Weise ein in Zeit und Raum fassbarer, haptisch erfahrbarer Ort gewesen ist.

Nun stellt plötzlich eine neue Generation eine für die Zunft der Historikerinnen und Historiker ungewohnte Verknüpfung her. Geleitet von der Beobachtung, dass sich die dynamischsten Diskussionen im Fach nicht mehr in Publikationen, sondern im Internet abspielen, das zur Plattform vor allem der jüngeren Kolleginnen und Kollegen geworden ist, versucht Wolfram Dornik, das Internet auch als Gedächtnisort zu definieren. Er hat dabei bis zu einem bestimmten Stichtag alle jene Darstellungen im Netz erfasst, die sich in Österreich mit der Geschichte des Nationalsozialismus beschäftigen.

Tatsächlich kann dabei nur mehr ein gradueller Unterschied zu den Publikationen in Papierform festgestellt werden. Mit einigem Recht ist es daher möglich, auch bei diesen Internetseiten von (temporären) Gedächtnisorten zu sprechen, in denen sich in demokratischerer Form als bei den ökonomisch, politisch und fachspezifisch stark reglementierten Zugängen zur Buchproduktion ein breiteres Spektrum darstellen kann.

Wolfram Dornik hat sowohl eine Momentaufnahme des Gesamtbildes der Thematik im Netz im Jahr 2003 versucht als auch eine inhaltliche Analyse ausgewählter Seiten mitgeliefert. Diesen Analysen mag man folgen oder nicht, sie machen aber die verschiedenen Ebenen deutlich und dokumentieren auch die Bandbreite der vertretenen Meinungen.

Es ist fast ein Widerspruch in sich, dass der Text von Wolfram Dornik nun in gedruckter Form vorgelegt wird. Als Historiker begrüße ich das aber sehr, da damit auch für kommende Generationen exemplarisch dokumentiert wird, wie man am Beginn des 21. Jahrhunderts nicht nur inhaltlich die Frage des Nationalsozialismus in Österreich diskutiert, sondern auch, wie man sich technisch der Darstellung gewidmet hat. In diesem Sinn ist die vorliegende Arbeit ein spannendes Zeitdokument, dem eine rasche Verbreitung zu wünschen ist.

Helmut Konrad

Graz, Jänner 2004

 

Inhaltsverzeichnis

Editorial der Reihenherausgeber 9

Vorwort 13

 

1. Einleitung 15

 

2. Eine kurze Geschichte des Internet, mit Berücksichtigung Österreichs 27

2.1 Die ersten Schritte zu einer Neustrukturierung des Wissens 27

2.2 Das Netzwerk wird gegründet 28

2.3 Der Beginn der Breitenwirksamkeit des Internet 31

2.4 Das Internet in Österreich 38

 

3. Österreichisches Gedächtnis und (historische) Identität in der Zweiten Republik 43

3.1 Erinnerung und Gedächtnis 43

3.2 Österreichische Identität und Erinnerung 45

3.3 Die (Nicht)Erinnerung des Nationalsozialismus in Österreich 50

 

4. Einige Deutungsmuster zu Internet, Computer und Globalisierung, sowie zu deren Wirkung 57

4.1 (Digitale) Wahrnehmung, Erinnerung und Tauschen 58

4.2 (Digitale) Visualisierung und Geschichte 60

4.3 Identitäten und Geschichte im Netz 63

4.4 Zeit-Raum-Wahrnehmung und Geschichte 68

4.5 Digitalisierung und Globalisierung verändert Erinnerung von Geschichte 70

4.6 Der Holocaust als globale Metapher 72

4.7 Zusammenfassung 75

 

5. Österreichische Zeitgeschichte im Internet 77

5.1 Vorbemerkungen – Die Thesen 77

5.2 Websites zur österreichischen Zeitgeschichte: Eine quantitative Erfassung 86

5.2.1 Themen und Wartung von österreichischen Zeitgeschichte-Sites 87

5.2.2 Typologische Verteilung der Quellen 89

5.2.3 Vollständigkeit, Archivierung und andere Probleme 97

5.3 Nationalsozialismus und Holocaust auf österreichischen Websites: Eine qualitative Untersuchung 100

5.3.1 Die Methode 100

5.3.2 „judenpogrom.at. Orte des Judenpogroms in Innsbruck" – lokal goes global I 110

5.3.3 „Vertrieben – Erinnerungen Burgenländischer Juden und Jüdinnen" – „history" vs. „heritage"? 122 

5.3.4 „A Letter to the Stars. Österreichische Schüler schreiben Geschichte" –      Jugendliche als GeschichteproduzentInnen 133

5.3.5 „Geheimprojekte.at" – Die Mystik des Geheimnisvollen 147

5.3.6 „Wege nach Ravensbrück" – Die Verortung des Entorteten 159

5.3.7 „www.holocaust.at" – Ein Erinnerungsort für den Cyberspace 170

5.3.8 „Rückgabestelle Salzburg" – Die Macht der Dekonstruktion 175

5.3.9 „Ebensee.org" – lokal goes global II 186

5.3.10 „Nationalsozialismus.at" – Enzyklopädie reloaded 197

5.4 Gedächtnisorte und Erinnerungskulturen im Cyberspace? Eine subjektive Einschätzung 210

 

6. Schluss 217

Danksagung 219

 

7. Anhang 221

7.1 Analyse-Raster 221

7.2 Literatur 225

7.3 Andere Quellen 241

7.4 Quellen aus dem Internet 242

7.5 Nachweis der Seiten der Detailanalysen 246

7.6 Websites zur österreichischen Zeitgeschichte 254

7.6.1 Nachweis des Basismaterials, der Grafiken für die quantitative Analyse 255

7.6.2 Nachweis aller verwendeten Websites 257

 

Über den Autor 285