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Branstner, Gerhard

Plebejade. Grobianischer Renaissanceroman

[= Werkauswahl Gerhard Branstner in 10 Bänden, Bd. 3], trafo verlag 2003, 236 S., Tb, ISBN (10) 3-89626-443-5, ISBN (13) 978-3-89626-443-5, 15,80 EUR

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Bemerkung zum Buch

Indem Du, lieber Leser, 

dieses Buch in die Hand genommen hast, hast Du Dir einiges vorgenommen. In jedem Falle eine Lektüre, wie Du sie in Deinem Leben noch nicht genossen hast. Oder ist Dir schon mal ein grobianischer Renaissanceroman begegnet? Nicht einmal das Wort „grobianischer Roman" ist Dir begegnet. Und falls ja einer den „Gargantua" des François Rabelais gelesen hat, so hat er zwar ein prachtvolles Stück Literatur genossen, wenn auch nur im ersten Teil, aber keinen Roman, denn der „Gargantua" ist lediglich eine Aneinanderreihung von Episoden, hat also nicht die für einen Roman erforderliche Eigenschaft einer vertiefenden Handlung, eine das Ganze bindende und hebende Idee. Und die deutsche Nachahmung von Johannes Fischart ist schon gar nur eine schwachbrüstige verbale Veräußerlichung, von Romain Rollands Versuch ganz zu schweigen.

Der grobianische Renaissanceroman in Gestalt der „Plebejade" ist mithin ein absolutes Einzelstück. Und damit ein absolutes Kuriosum: Der einzige wirkliche Renaissanceroman wurde ein halbes Jahrtausend nach der Renaissance geschrieben. Da stellt sich die Frage des Schwierigkeitsgrades. Bei den Wasserspringern wird der Schwierigkeitsgrad und die Ausführung bewertet. Und einem Eiskunstläufer, der bei allen Schwierigkeiten auf dem Hintern landet, nützen alle Schwierigkeiten wenig. Aber wenn Du, lieber Leser, in der Plebejade den höchsten Schwierigkeitsgrad aller Literaturgenres und keinen Fehler in der Ausführung findest, welche Note gibst Du mir dann?

Das Kuriosum, ein halbes Jahrtausend nach der Renaissance der einzige echte Renaissanceroman zu sein, hat zwei Voraussetzungen. Die erste ist meine Fähigkeit, mich nach Belieben in jede Zeit versetzen zu können. Das habe ich beispielsweise im vorigen Buch („Wie Fritz den Teufel erschlug") mit der orientalischen und der utopischen Anekdote getan. Die zweite Voraussetzung ist, das tiefere historische Wesen unserer Zeit zu begreifen.

Marx, zweifellos der bedeutendste Denker der Menschheit, unterteilt die gesellschaftliche Entwicklung in Vorgeschichte und eigentliche Geschichte. Wenn ich mit dem „Prinzip Gleichheit" über Marx hinaus die eigentliche Geschichte in ihrer ungeheueren Kraft und Größe erfasse, treibe ich die unbändige Selbstbewußtheit der Renaissance noch eine historische Phase weiter. Das ist auch der tiefere Sinn der „Plebejade".

Die „Plebejade" ist aber ein Kinderbuch. Wie paßt das nun wieder zusammen? Durch meine Methode, den Ernst voll in Heiterkeit aufzuheben. Aufhebende Heiterkeit als literarische Methode ist aber Lockerheit, Sinnlichkeit, Unterhaltsamkeit, Einfallsreichtum, Lustigkeit: alles, was Kinder mögen. Und wo das Gleichnishafte den kindlichen Verstand überfordert, läßt der kindliche Leser es einfach links liegen. Wenn Erwachsene sich unterhalten und das Kind neugierig zuhört, kann es das meiste noch nicht verstehen. Das überhört es ohne zu Stolpern. Wenn es das nicht könnte, würde es verrückt. Der Intellektuelle hingegen wird ärgerlich, wenn er was nicht versteht. Das habe ich bei einer Lesung vor Intellektuellen in Wittenberge erlebt. Und da ich die „Plebejade" nicht nur hintergründig, doppeldeutig, sondern auch spontan geschrieben habe, konnte ich die Gleichnishaftigkeit selber nicht immer entschlüsseln, was den Ärger der Intellektuellen noch ärgerlicher machte.

Die Spontaneität, im dialektischen Wechselspiel mit der philosophischen Hintergründigkeit gibt der „Plebejade" eine Erzähldichte, worin ihr kein anderes Buch auch nur nahe kommt.

Wenn diese Erzähldichte Intellektuelle auch manchmal überfordert, so ist sie Kindern hochwillkommen. Das bestätigte mir eine Bekannte. Als ich sie bei einem Besuch fragte, wieso die beiden Kinder, zehn und zwölf Jahre, schon im Bett sind, sagte sie: das kommt von Deiner „Plebejade". Sie erzählte mir, daß die beiden, die sonst nie ins Bett wollen, auf einmal von sich aus verschwanden. Als sie an der Tür lauschte, hörte sie ein glucksendes Lachen. Sie öffnete die Tür einen Spalt und sah, daß die beiden mit der Taschenlampe unter der Bettdecke die „Plebejade" lasen. Und als sie an die Stelle kamen, wo es heißt: „Wenn man bei Tische furzt, hält man die Hand vor den Mund oder sagt wenigstens Amen", brüllten die beiden laut los. „Und was hast Du gemacht?", fragte ich meine Bekannte. „Ich habe schon gelacht, als ich es für mich gelesen hatte, aber jetzt brüllte ich mit den Kindern und tanzte im Zimmer herum. Ein letztes Wort zur Sprache der „Plebejade". In der Diskussion nach einer Lesung in Bantikow meinte einer aus dem Publikum, daß die Sprache Thomas Manns doch wohl moderner und intelligenter sei. Da ist ein Rezensent ganz anderer Meinung. Ich zitiere nur ein paar Fetzen aus der Rezension: „Da wird Allgemeinmenschliches in Spott umfunktioniert, ungewöhnliche Vorgänge werden zu gewöhnlichen herabgespielt und umgekehrt … die natürlich gegebene Logik in die Romanhandlung einzubauen und sie mit der inneren Figurenlogik in Beziehung zu setzen, zu koppeln und anders gearteten Situationen und Teilhandlungen, die einander ausschließen oder nur partiell bedingen, aber kurioserweise eine dritte gebären, ruft durch entsprechende Wortwahl komische Effekte hervor. Sentenz, Wortspiel, die Reziprozität normaler Verhaltensweisen" erzeugt „opulentes Lachen."`Aus dem „Ausnutzen von begrifflichen Doppelbötigkeiten, aus der Situation, den Dialogen, der Kopulation geschraubter, umgangssprachlicher, salopper, derb vulgärer und jargonhafter Rede- und Stilelemente, Bild- und Sprachverschmelzungen bewußt provozierter Stilbrüche erwächst die vergnügliche Wirkung der ‘Plebejade’ … ein ganzes Arsenal von Aphorismen, Sentenzen, Sprüchen, Metaphern, Metonymien, Metaphrasen, Synonymen. Eine weitere Methode, Komik auf unterschiedliche und vielfältige Art hervorsprudeln zu lassen, auf Lachen und Nachdenken des Lesers zu zielen, ist das Operieren mit Oberbegriffen, Archaismen, Kontext, Gesamtstruktur, Einlagerung der Episoden um einen Kern – das ist es, was der Autor in ein kommunizierendes System bringt, das sich aufeinander bezieht, kommentiert und wechselseitig in der Wirkung steigert, so daß eine neue heitere Dimension entsteht." Und das ist nur ein Bruchteil dessen, was der Rezensent an sprachlichem Reichtum der „Plebejade" herausgefunden hat.

Das soll den Leser keineswegs abschrecken, sondern im Gegenteil einen Vorgeschmack von der „Plebejade" geben.

Die Kunst, mit einer modernen, intelligenten, raffinierten, hintergründigen, gleichnishaften Sprache zugleich sinnlich, lustig, anschaulich, amüsant, verständlich zu sein mag zwar manchen zum Fehlurteil der Unterschätzung verleiten. Dir, lieber Leser, wünsche ich jedenfalls ein reines, kindliches Vergnügen.

 

Dein Gerhard Branstner

 

 

 

 

Inhaltsverzeichis

 

 

Vorbemerkung      

 

Kindheit                

 

1. Kapitel        

Worin ein Riese geboren und der Verfasser der Historie aus dem Fenster geworfen wird

 

2. Kapitel        

In welchem wir erfahren, daß die geplatzte Blase der Wabbeleia noch weiteren Schaden anrichtete, aber auch eine Schauspielgesellschaft ins Leben rief

 

3. Kapitel 33 Worin der Königssohn getauft, sein Großvater aber sehr zornwütig wird, weshalb ich noch einmal das Notsignal betätigen muß

 

4. Kapitel 43

Welches vier Jahre dauert, während welcher Zeit Plebejus gewaltige Mengen Milch säuft, ansonsten aber nichts Berichtenswertes geschieht

 

5. Kapitel 43

Welches ebenfalls vier Jahre dauert, während welcher Zeit Plebejus gewaltige Mengen Klöße vertilgt, ansonsten aber eben falls nichts Berichtenswertes

geschieht

 

6. Kapitel 44

Worin eine Schlacht verlorengeht und Plebejus vor Angst einen großen Haufen scheißt, wodurch die Dinge eine unverhoffte Wendung nehmen

 

 

Jugend

 

7. Kapitel

Worin für Plebejus ein Fechtmeister gesucht und am Ende auch gefunden wird. Vorher aber mußten alle übrigen Kandidaten aus dem Felde geschlagen

werden

 

8. Kapitel

Worin Plebejus Berge versetzt, Flüsse verlegt, Seen austrocknet und noch manches andere tut, bis sich niemand mehr im Lande zurecht findet und der

König beschließt, seinen Sohn auf die Reise zu schicken

 

9. Kapitel

Worin dem Königssohne ein Lehrmeister der Liebeskunst verschafft wird, womit die Reisegesellschaft vollzählig und der König seiner Vatersorgen ledig ist

 

10. Kapitel

In welchem ein Schiff eigens für Plebejus hergerichtet, ansonsten aber nur notdürftig ausgerüstet wird

 

 

Reise

 

11. Kapitel

Worin nichts von Bedeutung geschieht

 

12. Kapitel

Welches ganz und gar aus Barugge besteht, die unter großem Fluchen von Jeremias gebacken wird

 

13. Kapitel

Welches das ergreifende Beispiel eines menschlichen Höhenfluges enthält und auch ansonsten von traurigen Erfahrungen voll ist

 

14. Kapitel

In welchem die Drachenbewohner weiterhin über den Dingen schweben und das Bodenpersonal es weiterhin nicht wagt, nach oben zu schauen

 

15. Kapitel

Welches mit einer kräftigen Brise beginnt und mit einem schönen Spektakel endet

 

16. Kapitel

Worin Scharbs gebacken wird. Danach aber wird er gegessen

 

17. Kapitel

Welches ein böses Erwachen bereithält

 

18. Kapitel

Worin merkwürdige Tischsitten und andere Erfindungen des menschlichen Geistes zur Kenntnis gebracht werden

 

19. Kapitel

Welches uns in ein mißliches Verhältnis setzt, weshalb wir auch so schnell wie möglich aus ihm herauszukommen trachten

 

20. Kapitel

Worin uns nichts als Sonne und Wasser begegnen, weshalb wir es ohne weiteres hinter uns lassen. Im folgenden geht es dafür desto haarsträubender zu

 

21. Kapitel

Welches einen bösen Anfang, aber ein gutes Ende nimmt. Dazwischen liegen wir die meiste Zeit gefangen oder schlagen uns seitwärts in die Büsche

 

22. Kapitel

Worin sich Plebejus an eine Jugendsünde erinnert, woraus ein großer Segen für ein armes Land entspringt

 

23. Kapitel

Wonach das nächste folgt. In diesem aber erleben wir noch einmal ein kurioses Mißgeschick unseres Küsters

 

24. Kapitel

Worin der Küster noch immer flucht, weshalb ich in ihm nichts zu sagen habe und auf das folgende verweise

 

25. Kapitel

Welches die Flüche enthält, die im vorigen nicht unterkommen konnten, daher ich auch dieses nicht weiter ausführe

 

26. Kapitel

In welchem der Küster nicht mehr flucht, denn alles nimmt einmal ein Ende, auch wenn wir wiederholt genarrt wurden und keiner mehr daran glaubte

 

27. Kapitel

Worin wir die Bekanntschaft eines freundlichen Müllers machen und Plebejus so viel Mehl mahlt, daß wir beinahe darin umkommen

 

28. Kapitel

Worin nichts geschieht, da wir abwarten müssen, bis das Mehl sich gesetzt hat

 

29. Kapitel

Welches uns wieder auf die Beine bringt, mittels derer wir uns auf Wanderschaft begeben

 

30. Kapitel

Durch welches wir uns ohne sonderlichen Aufenthalt hindurchschlagen, um endlich an das Ziel unserer Reise zu gelangen

 

 

Eroberung

 

31. Kapitel

Worin der Kaiser Gruslan fürchterlich über uns lacht, was ihm aber schnell vergeht, denn es wird ihm ein Bein gebrochen

 

32. Kapitel

Worin Plebejus sechsmal die Probe macht. Die siebente aber ist ein Kapitel für sich

 

33. Kapitel

Worin sich das Schicksal unseres Helden erfüllt. Zuvor aber setzt es fürchterliche Hiebe

 

34. Kapitel

In welchem Plebejus ein ganzes Reich umkrempelt. Die Schwägerinnen aber können ihre Schmach nicht verwinden und sticheln gegen Luzia, was zu einem Ehekrach führt

 

35. Kapitel

Worin neue Gefahren heraufziehen. Und da es deren zwei sind, weiß unser Held nicht, ob er einer nach der anderen oder beiden zugleich entgegentreten soll

 

36. Kapitel

In welchem sich das Unwesen des Lindwurms fortsetzt. Diesmal geht es ihm jedoch ans Leder. Es ist aber eine eklige Angelegenheit

 

37. Kapitel

Welches uns wieder auf die “Barugge” führt. Zuvor aber erneuern wir unsere Bekanntschaft mit, dem Mehlmüller