Vorwort

Elsass? Ein misslungener Schweizer Kanton mit französischer Seele und deutschem Geist? Wer denkt nicht an das Land der Kämpfe und Kriege, der Männer und Militärs, der Generäle Rapp, Kléber und Kellermann, der Nobelpreisträger Albert Schweitzer und Alfred Kastler; das Land der zauberhaften Weine und der traumhaften Landschaften?

Und die Frauen? Die etwas strengen Frauen tragen schwarze Hauben mit gefältetem Knoten; sie sind eifrige Kirchengängerinnen und tüchtige Hausfrauen, die Choucroute und Kougelhopf meisterhaft zubereiten – so wird erzählt. Die weißen Störche bringen die Kinder und das Glück, im Frühling werden die Babys in Nester auf Schornsteinen gelegt; kommen sie nicht, gibt’s Unglück – sagt die Legende.

Ein „heiteres, lustiges Völkchen", urteilte Goethe. Die Menschen sprechen eine eigenartige Sprache, "weder richtig deutsch noch richtig französisch", meinte der Philosoph Voltaire.

Märchen aus alter und neuer Zeit kursieren schon lange in dieser Region, deren Menschen durch die Jahrhunderte Trennungen, Verfolgungen, Invasionen und Kriege schmerzhaft erlebten und innerhalb von 75 Jahren fünfmal ihre Staatszugehörigkeit wechselten; Grenzland, zwischen Deutschland und Frankreich hin und her gezerrt, zwischen den Sprachen, dem Französischen, dem Deutschen und dem Elsässischen; geteilt zwischen Katholizismus, Protestantismus und Judentum, zwischen den Sprachen,. Gelegen an den Vogesen im Westen und dem Rhein im Osten, zwischen runden Hügeln und lieblichen Tälern – wer weiß in Deutschland vom Konzentrationslager Struthof dort oben auf dem Berg?

Im Herzen Europas. Zugleich ein Land der Vielfalt und des Widerstandes, doch mit eigener, starker Identität. Treffend beschreibt es der Künstler Tomi Ungerer: „Das Elsass ist wie ein Eintopfgericht: Kelten, Franken, Römer, Alemannen, Helveter, Franzosen, Deutsche, Italiener und Juden haben ihre Spuren hinterlassen. Und doch hat diese Mischung eine starke ausgeprägte Identität".

Auf unserer historischen Spurensuche begegneten wir eindrucksvollen Frauen aus der Vergangenheit wie der Äbtissin Herrad von Landsberg, den Geliebten Goethes, Herders und Büchners, Friederike Brion, Caroline Flachsland und Minna Jägle, der schreibenden Amazone Antoinette Lix, der fliegenden Ärztin Anne Spoerry und der Europäerin Louise Weiss.

Wir trafen die neuen Frauen in der begnadeten Wein- und Wandergegend und in den emsigen schmucken Städten des Elsass: die Politikerin, die Weinbäuerin, die Widerstandskämpferin, die Vorschuldirektorin, und die Schriftstellerin. Dabei entdeckten wir ein vielseitiges Land, starke und freiheitsliebende Frauen.

Für leibliches und geistiges Wohl auf unserer Reise sorgten kleine kulinarische Genüsse aus der Region und literarische Häppchen von Louise Otto, Edith Wharton, Simone de Beauvoir, Marie Luise Kaschnitz, Huguette Dreikaus, Assja Djebar, Barbara Honigmann, Sylvie Reff und anderen.

Vorwort 9

Schutzherrin des Elsass – Die Heilige Odile     21

Die Bärin der Kaiserin Richardis     22

Fromme Gelehrte und Buchmalerin – Herrad von Landsberg, Herausgeberin des „Hortus delicarium"     23

Die Beginen von Straßburg von Louise Otto     24

Die Frauen von Rouffach     25

„Friederike", Goethes Sesenheimer Jugendliebe, von Eckhard Henscheid     26

„Die schwermütige Amazone und Freiheitskämpferin" Antoinette Lix     28

„Die wache Dame aus Frankreich" – Louise Weiss, Politikerin, Europäerin, Journalistin, Pazifistin und Feministin     30

Widerständig im annektierten Land – Der weibliche Name der Résistance     33

„Mama Daktari" – Die fliegende Ärztin Anne Spoerry     38

Von der „petite Résistance" zur Solidarität mit den Kaliarbeitern von Mulhouse – Jacqueline Tinelli, nicht nur Frau eines Kaliarbeiters und Gewerkschafters 52

„Ich war immer furchtbar neugierig" – Marthe Gress, Arbeitsmaid, Verbindungsagentin, Frauenrechtlerin, Friedenskämpferin     54

„Ich bin immer noch optimistisch" – Solange Fernex, Ex-Europaabgeordnete, Atomgegnerin und Feministin 57 „Tun, was man tun soll" – Elisabeth Schmitt, Christin und Frauenbewegte     61

„Die Macht beschränken" – Die Menschenrechtskämpferin Lucienne Schmitt     63

„Sich selber treu bleiben" – Cécile Weinstoerffer, Bürgermeisterin in Uffholtz     66

„Man muß es lieben, draußen zu sein" – Nicole und Isabelle Heyberger, Winzerinnen     68

„Eine verfehlte Wohnpolitik in Cronenbourg" – Alice Schott-Bréard, Aktivistin vor Ort     70

„Man kann nicht die Grenzen öffnen und die Mehrsprachigkeit verhindern" – Solange Kaczmar Leiterin einer zweisprachigen Vorschule     72

„Zwischen Enthüllen und Verstecken" – Barbara Honigmann, eine deutsch-jüdische Schriftstellerin und Malerin     74

„Elsässisch, das ist eine Farbe, ein Duft in der Seele" – Sylvie Reff, Dichterin und Sängerin     76

Das Coq au Riesling der Friedensfrau und Umweltschützerin     82

Die Pâtes à la vapeur (Dampfnudeln) der Lehrerin     83

Flammekueche     83

Das Baeckeoffa der Bürgermeisterin     83

Kougelhopf     84

Die Riesen von Nideck     85

Der wunderbare Instinkt der Vaterschaft beim Storch, von Baronin Henriette-Louise von Oberkirch     85

Kellnerinnen, von Madame la Baronne     86

Johannisnacht im Münster von Straßburg, von Louise Otto     87

Erinnerungen an eine republikanische Kindheit, von Louise Weiss     89

In den Vogesen 1915, von Edith Wharton     90

An René für Schickele, von Klabund     92

Wie Franzosen und Deutsche an beiden Rheinufern angeln..., von Simone de Beauvoir     93

Dorffriedhof im Elsaß, von Anne Franck-Neumann     95

... mit der Vogelschau beginnen, von Marie Luise Kaschnitz     96

Der Weg zum perfekten Elsässer, von Huguette Dreikaus     98

Hexengeschichten, von Huguette Dreikaus     99

Fessenheim, von Sylvie Reff     101

Mini sproch, von Sylvie Reff     102

De Zopf, von Sylvie Reff     103

Der Fluß und die Brücken, von Assia Djebar     104

Nächte in Straßburg, von Assia Djebar     106

Hinter der Grande Schul, von Barbara Honigmann     107

Meine sefardischen Freundinnen, von Barbara Honigmann     108

In rote Steine verwandelt, von Barbara Honigmann     109

Glossar 109