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Hagemann, Peter

“Betrachtungen zur Menschwerdung. Biologie, Soziokultur, Geisteskrankheiten”

[= Medizin und Gesellschaft, Bd. 40], 52 S., ISBN 3-89626-408-7, 12,80 €

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Vorbemerkung

Eigentlich haben diese Betrachtungen von hinten angefangen, von den Geisteskrankheiten. Zuerst war da das Erstaunen über Erleben, Sprache und Verhalten schizophrener oder manisch-depressiver Personen. Faszination ist dafür eine gute Bezeichnung. Man ist dabei nicht vorrangig beängstigt oder abgestoßen, sondern stark angesprochen und auf die Suche geschickt nach Verständnis, nach Erklärungen und einer zufriedenstellenden Theorie. Die Angebote der Psychiatrie genügen nicht, sie sind im Grunde noch immer zweigeteilt, und alternative Auffassungen versagen. Auch macht das gängige Menschenbild einen schrittweisen Zugang zum psychotischen Erleben nicht begreifbar.

Das Klassegehirn des Homo sapiens kann in vielerlei Hinsicht erkranken, z. B. an einer Demenz oder an einem Delir. Das kann jedes andere Gehirn auch, etwa eines beliebigen Säugers - wenn man es entsprechend maltraitiert. Wird der Mensch als “weise” definiert, sind Verdummung oder Verwirrung logische daraus ableitbare Ausfalls oder Reizerscheinungen. Nicht aber eine Schizophrenie oder eine endogene Depression. Die sind nicht als ein Abfallen von Weisheit verstehbar. Insofern ist die einzige überlebende Menschenart mit „sapiens" ungenügend gekennzeichnet. Jedenfalls für den Bedarf der Psychiatrie genügt sie nicht. Was bedeutet das schon, so kann man sagen. Einverstanden - nicht jedermanns Eigenart muss in der allgemeinen Kennzeichnung des Menschen vertreten sein. Aber die psychisch Kranken haben noch immer ein großes Defizit an Emanzipation. Deshalb soll in den vorliegenden Zeilen eine andere oder eine abgewandelte Definition des Menschen wenigstens erörtert werden. Die Pointierung der endogenen Psychosen als die menschliche Erkrankung kann dann einen Kontrapunkt liefern, von dem aus widerum gesunde menschliche Eigenart sondiert werden kann

Man möge mir bitte nachsehen: Die Leitung eines großen psychiatrischen Krankenhauses hatte mich zu sehr absorbiert, um den Erfordernissen einer solchen wissenschaftlichen Aufgabe mit ausreichender Gründlichkeit nachkommen zu können. Sie finden, verehrter Leser, in diesem Text keine Bezüge auf den publizierten Wissensstand der Psychiatrie. Andererseits war es unvermeidbar, Ergebnisse anderer Fachgebiete, auch außerhalb der Medizin einzubeziehen. Das gilt vor allem für die Biologie, die Verhaltensbiologie und die Humanarchäologie. Es erscheint mir durchaus möglich, dass Fachleute dieser Bereiche sich über Einseitigkeiten meiner Betrachtungen die Haare raufen. Ich bitte um Entschuldigung. Der Konflikt zwischen dem Aufklärungsbedarf bei den endogenen Psychosen, der m. E. schon bei der Menschwerdung anzusetzen hat, und meine Möglichkeiten, hat die vorliegenden Kompromisse erforderlich gemacht.

Diesen Beitrag zur Theorie der endogenen Psychosen sah ich eingebettet in den Versuch eines realen Sozialismus in der DDR. Von einer nicht profitorientierten Gesellschaft waren bessere Möglichkeiten in der praktischen Psychiatrie, in der Resozialisierung wie in der Prävention zu erwarten. Das hat nicht getrogen, wie sich nach der “Wende” zeigte. Aber auch die theoretischen Grundlagen waren angesprochen. Die methodischen Ansätze für die Überwindung des Antagonismus zwischen Natur und Gesellschaft, auch zwischen Objekt und Subjekt, die für die Psychiatrie wichtig sind, waren gegeben. Es fehlte Zeit für Reifung, auf allen Ebenen. So sind die Ansätze ins Stocken geraten und was hier präsentiert wird, ist nicht abgeschlossen, nicht ausgereift. Es sind Betrachtungen, die sich aus Hoffnungen nähren und die anregen wollen.

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

 

Vorbemerkungen 4

Einleitung 5

 

BIOLOGIE UND SOZIOKULTUR 7

Haut, Gebiss und Soziokultur 7

Fortpflanzung und Sexualität 9

Verhalten 12

Arbeitsteilung 14

Die Sprache 16

Das Denken 17

Die Entwicklung des Gehirns 18

Die Emotionen 20

Das Bewusstsein 22

Ästhetik, Erotik 24

Biologismus 25

Aggression, Triebe 26

Was wiegt mehr? 28

Reifung 29

DIE KRANKHEITEN DER SOZIOKULTUR 32

Vorbemerkung 32

Die möglichen Himerkrankungen 32

Das kranke Gemüt 35

Krankes Gefühl? 37

Die kranke Wahrnehmung 38

Der kranke Geist 39

Der Zerfall des Sozialen 41

Arbeit 41

Das Stirnhirn 43

Die Behandlung 44 Ein weiterer Beitrag der Psychiatrie 45

Ein Beitrag zur Emanzipation 46

SCHLUSSBETRACHTUNG , • 49

Aufstellung der wissenschaftlichen 50 Veröffentlichungen des Vereins