Meyer, Horst-Heinz

 

"Wir hatten noch Zeit, an die Liebe zu denken... Erinnerungen, Lyrik und Prosa aus der Zeit der Emigration 1937–1949", 

 

hrsg. von Elviera Thiedemann. [= Autobiographien, Bd. 4], trafo verlag 2001, Tb, 220 S., ISBN 3-89626-331-5

 

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Zum Geleit

Erinnern Sie sich noch, wie Sie als Kind auf dem Dachboden knieten und in alten verstaubten Kisten Gegenstände aus längst vergangener Zeit entdeckten? Wie Sie im Halbdunkel Stück für Stück in der Hand hielten, mit großen Augen betrachteten und schließlich zurück an seinen Platz legten, um es bei der nächsten Gelegenheit wieder hervor zu holen?

Ein wenig in die Kinderzeit zurück versetzt fühlte ich mich, als ich vor einigen Jahren Berge vergilbter, teilweise zerrissener Seiten in den Schränken meines Literatenfreundes Horst-Heinz Meyer wie einen Schatz hob. Stundenlang stöberte ich in diesen Blättern mit Lyrik und Kurzprosa aus einer fernen Epoche, die mir nur aus Geschichtsbüchern und Filmen bekannt und für mich vor allem mit Gefühlen der Angst und Beklemmung besetzt war.

Nun fand ich mich plötzlich vermittels schriftlicher Zeugnisse eines jungen Mannes im Paris der 30er Jahre, mit seinem besonderem Flair, konfrontiert mit Kunst und Politik jener Zeit, begegnete der schnüffelnden Schweizer Fremdenpolizei und dem lähmenden Entsetzen nach dem Überfall der Wehrmacht auf Norwegen. Ich war fasziniert von der Lebendigkeit dieser Texte und suchte aus Hunderten Seiten die für mich interessantesten und poetisch gelungensten Arbeiten heraus. Ich schrieb sie in den Computer, ergänzte manch Unleserliches in der Diktion des Autors und brachte sie in die nun vorliegende Form, in der sich ca. 15 Jahre Leben eines Mannes nachvollziehen lassen, der auf die ihm eigene Art gegen den Faschismus kämpfte, der das Glück hatte, mit dem Leben davon zu kommen und sich 1949 – wiederum auf die ihm eigene Art – für einen Neubeginn in der DDR entschied.

Als Titel für diesen Band wählte ich eine Gedichtzeile Horst-Heinz Meyers, nach der auch der Inhalt gewichtet ist: Wir hatten noch Zeit an die Liebe zu denken...

Denn den Mittelpunkt der Sammlung bilden keine wesentlich neuen historischen Erkenntnisse oder die ständig präsente Angst vor Verfolgung und Tod, unter der ja alle Emigranten litten. Es sind vielmehr die Gefühle eines Menschen, der in dieser Zeit einfach seine Jugend lebte und sich selbstverständlich auch Momente unbeschwerter Liebe gestattete. Verschiedenste Facetten des Menschseins, unverwechselbaren persönlichen Glücks werden sichtbar, zuweilen im dichterischen Bunde mit dem proletarisch-revolutionären Anspruch eines Weinert oder Majakowski, aber auch getragen von einer frivolen Leichtigkeit, die an Zola erinnert und an Miller’schen Voyeurismus. Ein sehr persönliches Geschichtsbuch, gefüllt mit Erlebnissen und Erschütterungen, die den heute 87jährigen noch immer beunruhigen.

Elviera Thiedemann

Berlin, September 2001

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