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Mario Koch

Kampf um die Inkastadt Cuzco. Aufzeichnungen eines anonymen Zeitzeugen 1535–1539 

[= Cognoscere historias, Bd. 11], trafo verlag 2000, 140 S., zahlr. Abb., geb., ISBN 3-89626-321-8, 22,80 €


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Aus der EINLEITUNG

Als die Europäer im 16. Jahrhundert auf dem amerikanischen Festland mehr und mehr Fuß fassten, existierten auf dem Doppelkontinent noch zwei mächtige indianische Reiche: das der Azteken in Mexiko und das Reich der Inka mit dem Kernland in Peru. Und es ist bezeichnend, dass gerade diese beiden, gut organisierten, riesigen Reiche mit ihrem mächtigen wirtschaftlichen und militärischen Potential jeweils von einer »Handvoll« spanischer Abenteurer erobert worden sind. In beiden Fällen gelang es den spanischen Konquistadoren, die bestehenden politischen und ökonomischen Strukturen teilweise für sich zu nutzen und so den Untergang der indianischen Kultur jeweils in einem erstaunlich kurzen Zeitraum herbeizuführen.
Das Inkareich war durch eine jahrhundertelange Expansion der Inka entstanden, die ihr Zentrum in Cuzco hatten und von dort aus nach und nach den größten Teil des Andenraumes unter ihre Herrschaft brachten. Der Name »Inka« bezeichnet sowohl den obersten Machthaber als auch die Ethnie der Inka selbst. Es muß also immer zwischen den Inka und dem Inka unterschieden werden. Der Inka, dessen Titel offiziell Sapay Inca lautete, besaß einen Rang, der in unseren Breiten einem König gleichzusetzen ist. Er war der unumschränkte Herrscher über das Reich und er wurde als Sohn der Sonne bezeichnet. Die Sonne wiederum wurde im Inkareich als oberste Gottheit verehrt; im Gegensatz dazu beteten die meisten anderen Bevölkerungsgruppen in der Andenregion den Mond als oberste Gottheit an - so lange, bis die Inka ihre Eroberungen ausdehnten und in den unterworfenen Gebieten den Sonnenkult einführten.
Das Imperium der Inka erreichte seine größte territoriale Ausdehnung unter dem Inka Huayna Capac, der etwa von 1493 bis 1524 oder 1527 regierte und die Grenzen des Reiches vor allem nach Norden ausdehnte. Damit betrug die Nord-Süd-Ausdehnung des Reiches mehr als 3.000 Kilometer; es erstreckte sich von Nordchile bis in das heutige Ekuador. Aber dieses riesige Reich, ein Konglomerat aus vielen verschiedenen Ethnien, bestand zu diesem Zeitpunkt und in dieser Ausdehnung gerade einmal einhundert Jahre. In diesem historisch kurzen Zeitraum war das überwiegend aus militärischen Eroberungen hervorgegangene Reich innenpolitisch noch längst nicht gefestigt. Es gab ständig religiöse und politische Konflikte zwischen den eroberten Ethnien und den herrschenden Inka. In den von den Inka eroberten Gebieten blieben die alten Verwaltungsstrukturen weitestgehend erhalten. Die Curaca, die Oberhäupter der eroberten ethnischen Gruppen, behielten zum großen Teil sogar ihre Herrschaft bei, wurden jedoch in die aufgezwungene Zentralverwaltung derart integriert, dass sie als Stütze der Inka-Macht dienen konnten.
Zur Konsolidierung ihrer Herrschaft wandten die Inka ein System an, das seit altersher im Andenraum praktiziert wurde: die »Reciprocidad«. Dieses System beruhte auf Leistung und Gegenleistung und wurde zwischen dem Inka und den Curaca der eroberten Gebiete praktiziert. Dabei hatten die Curaca die Aufgabe, mit festgelegten Abgaben für den Inka und seinen Hofstaat zu sorgen. Im Gegenzug verpflichtete sich der Inka zur Waffenhilfe, sorgte für Kleidung und Schmuck der Curaca. Durch dieses System war jedoch die politische und wirtschaftliche Selbständigkeit der einzelnen Curaca nur bedingt eingeschränkt. In ihrem Herrschaftsgebiet verfügten sie über ein großes Maß an Selbständigkeit, die sich später als großer Nachteil für den Inka in seinem Kampf gegen die Spanier erweisen sollte.
Die Inka unternahmen den Versuch, die bisherigen Oberhäupter der unterworfenen Ethnien in ihr Herrschaftssystem zu integrieren. So brachte man die Kinder der entthronten Herrscher in die Inka-Hauptstadt Cuzco und verheiratete sie dort zum Teil mit Angehörigen aus dem Inka-Adel. Mit dieser Maßnahme wurde eine langsame Integration der eroberten Gebiete angestrebt. Zusätzlich stellten die Inka auch die Abbildungen der lokalen Gottheiten der eroberten Ethnien im Haupttempel von Cuzco auf. Damit wurden gleich zwei Dinge deutlich gemacht: die Sonne war die oberste Gottheit, akzeptierte aber die anderen Götter - unter sich! Und die Religion der Besiegten wurde nicht grundsätzlich ausgerottet, sondern nur als untergeordnete Religion in das bestehende religiöse Weltbild der Inka eingebaut. Trotzdem waren es gerade die Priester dieser lokalen Kulte, die gegen die Vorherrschaft der Inka aufbegehrten, denn die einzelnen Provinzheiligtümer wurden durch die Integrationsmaßnahmen jeglicher Bedeutung beraubt. Erst unter dem Inka Huayna Capac erlangten sie ihre Geltung wenigstens teilweise wieder zurück. Allerdings muss dazu angemerkt werden, dass die Bevölkerung ihre Götter weiterhin verehrte, es war ihr jedoch verboten, offizielle religiöse Zeremonien an den bisherigen Kultstätten zu zelebrieren. Erst Huayna Capac lockerte dieses Verbot.
Aber gerade dieser Inka, der nach Jahrzehnten des Krieges begonnen hatte, sich um die Verwaltung des Riesenreiches zu kümmern, fiel einer heimtückischen Krankheit zum Opfer, die es bis dahin nicht in der Welt der Andenvölker gegeben hatte; es handelte sich aller Wahrscheinlichkeit nach um die Pocken. Diese Krankheit war von den Spaniern eingeschleppt worden, als sie im Verlaufe ihrer zweiten Erkundungsfahrt nach Peru (1526/27) von Panama aus bis an die nördliche Grenze des Inkareiches stießen. Dort hatten sie ersten Kontakt mit den Einwohnern dieses Reiches. Und als sich die Spanier auf die Rückreise begaben, um für ihre endgültige Expedition eine kampfstarke Truppe auszurüsten, kam es ohne ihr direktes Zutun zu einer Katastrophe im Inkareich, die auf die nachfolgende Entwicklung keinen unerheblichen Einfluss haben sollte. Die von den Spaniern eingeschleppten Pocken richteten unter den Indianern des Andengebietes ein wahres Massaker an. Die amerikanischen Ureinwohner hatten praktisch keine Möglichkeit, sich vor dieser vollkommen unbekannten Krankheit zu schützen. Es gab keine Gegenmittel und bis das körpereigene Immunsystem gegen diese Virenepidemie Abwehrstoffe entwickelt hatte, ging viel Zeit ins Land. Viele Menschen, vor allem im Norden des Landes, starben an den Folgen der Pocken. Unter den Opfern war nicht nur der Sapay Inca, sondern auch dessen Sohn Ninan Cuyuchi. Der Tod dieser beiden Männer bewirkte im Reich Unruhen, die sich bis zum bewaffneten Kampf ausweiteten. Das Problem lag in der Tatsache begründet, dass die Thronfolge im Inkareich nicht einheitlich geregelt war. Der Inka hatte stets viele Frauen und von diesen Frauen nicht wenige Kinder. Aber es gab keine einheitlich geregelte Reihenfolge der Thronerben für den Fall, dass der Inka sterben sollte. Die bisher bekannten Informationen lassen darauf schließen, dass nicht der älteste Sohn automatisch zum neuen Inka wurde, sondern der Inka wählte noch zu Lebzeiten unter seinen Söhnen den fähigsten aus. Bei dieser Auswahl spielten auch die Adelsgeschlechter eine große Rolle, denn sie mussten den Inka anerkennen. Deshalb war es im Inkareich in der Vergangenheit bereits häufiger zu Kämpfen um den Thron gekommen. Beispielsweise hatte noch der gerade verstorbene Sapay Inka Huayna Capac mit seinem Bruder Capac Huari um die Thronfolge gekämpft.
Nach dem Tod des Huayna Capac sahen nun die verschiedenen Adelsgeschlechter die Möglichkeit gekommen, ihrem Favoriten die Borla, die Insignie des regierenden Sapay Inca, anzulegen. Anscheinend standen sich nur zwei große Gruppierungen gegenüber: der in der alten Hauptstadt Cuzco verbliebene Teil des Adels auf der einen Seite und der Adel, der mit dem Inka Huayna Capac die letzten zehn Jahre im Norden des Reiches verbracht hatte, auf der Gegenseite. Da sich Huayna Capac mit seinen Vertrauten jahrelang in den neu eroberten Gebieten im Norden aufgehalten und somit praktisch den Regierungssitz von Cuzco nach Tomebamba verlegt hatte, brach er mit den bisherigen Traditionen. Er machte sich dadurch den Teil des Adels zum Feind, der in Cuzco verblieben war und miterleben musste, wie die Bedeutung der Hauptstadt immer mehr zurückging. Durch die etwa zehnjährige Abwesenheit des Inka aus Cuzco wurden dort die traditionellen religiösen Feste ohne ihn gefeiert oder aber von Cuzco nach Tomebamba verlegt. Weil Huayna Capac außerdem noch das Amt des Oberpriesters der Sonne für sich beanspruchte, waren viele Adelsgeschlechter, die ihren Einfluß zunehmend schwinden sahen, gegen den Inka. Im Zuge der Veränderungen in den letzten Regierungsjahren Huayna Capacs hatte es innerhalb der Adelsgruppierungen Kämpfe um den Erhalt ihrer alten oder um den Erwerb neuer Privilegien gegeben. Diese Entwicklung führte nach dem Tod des Inka zwangsläufig zu einer Krise, deren Höhepunkt der bewaffnete Kampf zwischen den beiden Brüdern Atahuallpa und Huascar war.
Im Mai 1532 trug Atahuallpa den endgültigen Sieg über seinen Bruder davon. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es noch keine direkte Konfrontation mit den Truppen Franzisco Pizarros gegeben, obwohl diese bereits im Dezember des Vorjahres an den Grenzen des Reiches aufgetaucht waren. Aber erst im April 1532 besetzten sie die Stadt Tumbes und holten dort ausführliche Erkundigungen über ihr Ziel ein. Im Mai gründete Pizarro im Tangarara-Tal die spanische Siedlung San Miguel de Piura. Erst am 24. September brachen die Spanier ins Landesinnere auf, um Atahuallpa aufzusuchen. Zu diesem Zeitpunkt hatte dieser also schon seine Position im Inkareich eindeutig gefestigt, sein Sieg über Huascar lag vier Monate zurück und er hatte begonnen, seine Macht zu konsolidieren.
Es gibt viele Vermutungen, warum Atahuallpa nichts gegen die fremden Eindringlinge unternahm. Spätestens auf ihrem Marsch ins Landesinnere hätte es ihm eigentlich möglich sein müssen, sie anzugreifen. Aber der Inka unternahm nichts dergleichen. Nach der spanischen Eroberung führten die königlichen Beamten Befragungen unter den Indianern durch; dabei wurde auch protokolliert, dass man im Umfeld Atahuallpas der Meinung war, dieser würde die Eindringlinge allein wegen ihrer geringen Mannschaftsstärke nicht als Gefahr einschätzen und hätte sich für überlegen gehalten. Zwar ist diese Variante bei einem gerade siegreichen Heerführer nicht von der Hand zu weisen, aber inwieweit die befragten Zeugen als sichere Quelle gelten können, ist fragwürdig.
Pizarro verfügte auf seinem Marsch bereits über die Unterstützung von indianischen Hilfstruppen, die ihm viele logistische Probleme wie die Suche nach dem richtigen Weg, den Transport von Ausrüstung und Verpflegung und auch die ständige Versorgung mit Nahrungsmitteln abnahmen. So traf er mit seiner kleinen Streitmacht am 15. November in Cajamarca ein. Dort hatte Atahuallpa sein Quartier aufgeschlagen; aber während der Inka mit seiner Armee vor den Toren der Stadt lagerte, nahm Pizarro in der Stadt selbst Quartier. Am folgenden Tag suchte der Inka Pizarro in der Stadt auf, er kam mit einem großen Gefolge, aber unbewaffnet. Pizarro konnte sich in einem Handstreich der Person des Inka bemächtigen. Mit der Gefangennahme des Herrschers besaßen die Spanier ein unschätzbares Pfand, denn so lange sich der Inka in der Gewalt der Fremden befand, wurden sie nicht angegriffen.
Innerhalb weniger Augenblicke hatte sich für die weitere Entwicklung im Inkareich eine völlig neue Perspektive aufgetan. Die beiden bisherigen Rivalen um die Macht befanden sich in Gefangenschaft: Huascar in den Händen von Atahuallpas Heerführern und Atahuallpa selbst war Gefangener der Spanier. Dadurch kam es zu einer Situation, die für die Spanier viele Vorteile brachte - sie hatten den eigentlichen Herrscher des Landes in ihrer Gewalt und konnten über ihn den Einwohnern ihre Wünsche diktieren. So trugen die inkaischen Untertanen auf Befehl des Inka im ganzen Land Gold und Silber zusammen, um den Kerker ihres Gebieters damit zu füllen. Diese Bedingung hatte Pizarro dem Inka gestellt, wenn dieser seine Freiheit erlangen wollte. Aber Atahuallpa, der regelmäßig Besuch von seinen Beratern erhalten konnte, griff auch aktiv in das Geschehen ein. Als er befürchtete, dass die Spanier mit dem gefangenen Huascar zusammenarbeiten könnten, ließ er diesen umbringen. Diese Maßnahme gab ihm jedoch nur einen kurzen Aufschub. Auf Beschluß eines von Pizarro inszenierten Schauprozesses wurde er im Juni oder Juli 1533 hingerichtet. Unter anderem warf man ihm die Ermordung seines Bruders Huascar vor. Die Spanier waren also durch ihre Verbündeten sehr gut über alle Vorgänge im Reich unterrichtet.
Nach der Erdrosselung Atahuallpas wurde Tupa Huallpa von Pizarro zum neuen Sapay Inka ernannt. Vorgeschlagen hatten die Ernennung die Parteigänger des ermordeten Inka. Allerdings vertraten sie nicht die Mehrheit des inkaischen Adels. Es zeigte sich, dass sich der inkaische Adel in verschiedene Interessengruppen aufspaltete, die sich auch untereinander bekämpften, anstatt gemeinsam gegen die spanischen Eroberer vorzugehen. Während Pizarro mit seiner Streitmacht und dem von ihm ernannten Inka im Gefolge auf die Hauptstadt Cuzco marschierte, wurde er ständig von Quizquiz, einem der Heerführer Atahuallpas, angegriffen. Dagegen ging Rumiñahui, ein weiterer der Heerführer Atahuallpas, nach Quito, im Norden des Reiches, um dort eine von Cuzco unabhängige Herrschaft zu errichten.
In Cuzco selbst einigten sich die dortigen Adelsgruppierungen unter Führung des Oberpriesters der Sonne, der in der Quechua-Sprache Huillauma genannt wird, auf Paullu Inca, einen weiteren Sohn des Huayna Capac, als neuen Inka. Dieser Vorschlag wurde auch an Quizquiz herangetragen, der sich jedoch weigerte, Paullu anzuerkennen.
Mitte Oktober erreichten die Spanier auf ihrem Marsch nach Cuzco das Tal von Jauja. Dort starb überraschend der Inka Tupa Huallpa. Pizarro verdächtigte Challcochima, einen der Heerführer Atahuallpas, den Inka vergiftet zu haben. Er begründete seinen Verdacht damit, dass Challcochima in Cajamarca gegen Tupa Huallpa gestimmt hatte und für Titu Atauchi, den ältesten Sohn Atahuallpas, eingetreten war. Deshalb wurde er zum Tod durch Verbrennen verurteilt. Und bereits einen Tag später traf Pizarro, jetzt nur noch 25 Kilometer von Cuzco entfernt, im Tal von Jaquijaguana, auf Manco Inca Yupanqui. Dieser war ebenso wie Paullu ein Sohn des Huayna Capac. Durch dieses von Manco arrangierte Zusammentreffen kam er dem Huillauma und seinen Anhängern zuvor, die Pizarro in Cuzco erwarteten. Manco bot Pizarro ein Bündnis an: er forderte Unterstützung bei seiner Einsetzung zum Sapay Inka und stellte im Gegenzug seine militärische Hilfe im Kampf gegen Quizquiz in Aussicht. Beide konnten sich sehr schnell einigen, so dass noch am selben Tag die sogenannte Allianz von Jaquijaguana zustande kam.

 

Manco, der eigentlich im Rennen um die Borla, das Abzeichen des Sapay Inka, schon geschlagen war, verbündete sich mit der derzeit stärksten Macht im Reich und schaltete so alle Widersacher aus. Er verbündete sich mit seinem eigentlich gefährlichsten Gegner, um zunächst einmal innerhalb des Adels seine Position zu festigen. Einer seiner stärksten Gegner war dabei vor allem Quizquiz, der immerhin eine kampferprobte und zuletzt siegreiche Armee befehligte.
So kam es, dass Pizarro am 15. November 1533 mit seinem neuen Verbündeten Manco Inca Yupanqui in der alten Inka-Hauptstadt Cuzco einzog. Dort wurde Manco nach dem traditionellen Zeremoniell zum Sapay Inka gekrönt. Mit der dabei praktizierten Achtung der alten Riten erreichte Pizarro, dass Manco allgemein als Inka anerkannt wurde. Unter der Bevölkerung des Reiches verbreitete sich die Hoffnung, dass nach den Jahren der Unruhe ein starker Inka, noch dazu mit so mächtiger Unterstützung, wieder ein friedliches Leben garantieren würde. Aber erst einmal musste Manco seinen Verpflichtungen nachkommen, die sich aus seinem Bündnis mit den Spaniern ergaben. Er stellte eine Armee auf und zog im Dezember mit der Unterstützung von fünfzig spanischen Reitern, die unter dem Kommando Diego de Almagros standen, gegen Quizquiz. Fünf Monate später kam es bei Maraycalla zur entscheidenden Schlacht, in der die Truppen des Quizquiz vernichtend geschlagen wurden.
In der Zwischenzeit unternahm Pizarro viele Anstrengungen, um seine Position im Inkareich zu festigen. Am 18. Januar 1535 gründeten die Spanier die Stadt Ciudad de los Reyes, das heutige Lima. Damit schuf sich Pizarro eine Basis an der Küste und  über den Hafen Ciudad de los Reyes wurde in der Folgezeit die lebenswichtige Verbindung zu den spanischen Kolonien in Mittelamerika aufrechterhalten. Von dort erhielten die Eroberer des Inkareiches wichtige Versorgungsgüter wie Waffen, Pferde, Munition; aber auch Verpflegung, Nachschub an neuen Eroberern und indianischen Sklaven. Im Juli des selben Jahres zogen verschiedene Abteilungen aus, um weitere Gebiete im Norden des Reiches zu erobern und unter die Herrschaft der spanischen Krone zu bringen. Der Hauptmann Alonso de Alvarado zog mit 300 Spaniern in das Gebiet der Chachapoya in Nordperu. Hauptmann Garcilaso de la Vega unternahm mit 250 Mann einen Vorstoß in das Gebiet des heutigen Ekuador. Juan Poncel zog mit 250 Bewaffneten ebenfalls nach Nordperu und Benalcázar wurde von Pizarro mit 150 Spaniern nach Quito geschickt. Möglich wurden diese Expeditionen durch den ständigen Zustrom neuer Konquistadoren, die durch die Berichte über die riesigen Mengen an Gold und Silber aus dem Lösegeld Atahuallpas in Scharen angelockt wurden. Der Zustrom nach Peru war so groß, dass in anderen Regionen Spanisch-Amerikas die spanische Macht teilweise bedenklich in Frage gestellt wurde, weil die Spanier viele Gebiete, in denen sie nicht den erhofften Reichtum fanden, verließen, ohne dass dort neue Eroberer nachrückten. Jeder, der die Möglichkeit hatte, zog nach Peru, um von den dortigen Reichtümern seinen Anteil zu erlangen.
Im Gegensatz zu allen anderen Expeditionen, die nach Norden führten, zog Almagro, der seinen eigenen Einflussbereich suchte, am 3. Juli 1535 nach Süden. In seiner Begleitung befanden sich auch der Oberpriester der Sonne, der Huillauma und Paullu Inca, der eigentlich von den Vornehmen in Cuzco zum Inka erwählt, aber von Manco ausgebootet worden war. Möglicherweise drängte Manco selbst darauf, dass die beiden, die ja gegen seine Wahl als Inka gewesen waren, der Hauptstadt den Rücken kehren mussten. Almagro zog mit 180 Spaniern und 1000 Mann indianischer Hilfstruppen aus. Sein Unternehmen war jedoch nicht so erfolgreich, wie er es sich vorgestellt hatte. Nicht nur, dass er nicht die erhofften Reichtümer fand und bald enttäuscht zurückkehrte; der Oberpriester floh aus seiner Begleitung und stellte sich an die Spitze einer bereits aktiven Bewegung der Indianer gegen die spanischen Eindringlinge. Interessant dabei ist, dass Paullu Inca bei Almagro blieb und sich nicht mit dem Oberpriester der Sonne zusammenschloss.
Der Huillauma bereitete einen Aufstand gegen die Spanier vor, der bald das ganze Land erfassen sollte. Die Erhebung war aber nicht seine alleinige Initiative, denn bereits vor seiner Flucht gab es einige kleinere, jedoch voneinander unabhängige Erhebungen gegen die Spanier. Anscheinend bemühte sich der Huillauma aber, alle Widerstandszentren zusammenzuführen. Erst danach nahm er Kontakt mit Manco auf, um diesen für eine Teilnahme am Aufstand zu gewinnen. Dabei kamen ihm auch die Ereignisse in Cuzco entgegen. Denn Manco war Ende Juli 1535 von Gonzalo Pizarro gefangengesetzt worden. Gonzalo verwaltete die alte Inkahauptstadt, während Franzisco Pizarro selbst in Ciudad de los Reyes weilte. Gonzalo Pizarro hatte Manco unter dem Vorwand verhaften lassen, dass er von der Flucht des Huillauma gewusst hätte. In der Gefangenschaft wurde Manco geschlagen und misshandelt. Gonzalo zwang ihn, Lösegeld zu zahlen. Diese Missachtung der Würde des Inka schuf eine tiefe Kluft zwischen Manco und seinen bisherigen Verbündeten. Als Hernando Pizarro, der solange abwesend gewesen war, weil er für seinen Bruder Franzisco nach Spanien an den königlichen Hof gereist war, wieder nach Cuzco zurückkehrte, verbesserten sich die Haftbedingungen für Manco. Ihm wurde sogar gestattet, sich mit dem Huillauma zu treffen. Dabei warb dieser um eine Beteiligung Mancos am Aufstand.
Zu diesem Zeitpunkt, im Jahre 1536, setzt auch die vorliegende Chronik »Relación del sitio del Cuzco y principio de las guerras civiles del Perú« (Beschreibung der Stadt Cuzco und Beginn der peruanischen Bürgerkriege) ein. Der Verfasser dieser Chronik ist bis heute unbekannt. Es war aber ein Spanier, der sich zum Zeitpunkt der beschriebenen Ereignisse in Cuzco aufhielt. Veröffentlicht wurde die Schrift anhand der im Archivo General de las Indias in Sevilla gefundenen Dokumente in der im vorigen Jahrhundert herausgegebenen Dokumentensammlung »Colección de libros españoles raros y curiosos«. Dieses Dokument ist ein wichtiges Zeitzeugnis, das von einem Teilnehmer an den Kämpfen um die Inka-Hauptstadt Cuzco verfasst worden ist. Leider gibt es keine deutlichen Aussagen im Text, die auf dessen Urheber schließen lassen. Trotzdem kann der Bericht als sehr authentisch angesehen werden, auch wenn es hier und da einige Ungereimtheiten gibt, die aber vor allem auch darauf zurückzuführen sind, dass dem Verfasser, genau wie allen Beteiligten, nicht sämtliche Informationen zur Verfügung gestanden haben und er auch eine sehr parteiliche Haltung einnimmt. Beispielsweise wird bei dem Bericht über die Flucht des Oberpriesters der Sonne angedeutet, dass sich auch Paullu Inca von Almagros Zug entfernte. Allerdings kehrt er dann mit diesem zusammen im Jahr 1537 nach Cuzco zurück, so dass an diesem Punkt schon deutlich wird, dass auch dieser Augenzeugenbericht nicht die ganze Wahrheit beinhaltet. Immerhin muss berücksichtigt werden, dass die uns vorliegende Schrift von einem Teilnehmer der Ereignisse geschrieben worden ist. Dieser hatte im Trubel der Ereignisse keine Möglichkeit, alle Ereignisse, Gespräche, Verhandlungen, Kämpfe oder Intrigen objektiv wahrzunehmen und gar unparteiisch zu bewerten. Er konnte nur alle Geschehnisse in seinem unmittelbaren Umfeld selbst bewerten und musste sich bei den Vorgängen, die er nicht selbst als Augenzeuge erlebte, auf die Berichte seiner Zuträger verlassen. Und das immerhin in einer Zeit, in der es keine aktuelle Nachrichtenübermittlung via Zeitung oder Radio gab. So konnte es durchaus passieren, dass Zeugen, die Wochen oder Monate später zu einem Ereignis befragt wurden, dessen genauen Ablauf gar nicht mehr kannten, weil sie im Moment dieses Ereignisses dieses gar nicht für so wichtig erachtet hatten und sich später an Einzelheiten nicht mehr erinnern konnten. Insofern ist auch ein Augenzeugenbericht wie die uns vorliegende »Relación del sitio del Cuzco...« nicht als die absolute Wahrheit zu betrachten, sondern muss sehr kritisch gelesen werden.
Der Bericht ist nicht verfasst worden, um die Rolle des Inka zu erklären oder um die Leistungen der Indianer zu würdigen, sondern es geht um eine Rechtfertigung der Rolle der Pizarro-Brüder, vor allem Hernando Pizarros, bei der Eroberung Perus. Parallel zum Aufstand des Inka kam es zu den ersten Machtkämpfen der Konquistadoren untereinander, die in der Ermordung des höchsten Vertreters der spanischen Krone, Franzisco Pizarros, gipfelten. Die Machtkämpfe der spanischen Eroberer untereinander führten dazu, dass die spanische Herrschaft in Peru in starke Bedrängnis geriet, weil gleichzeitig Manco einen großangelegten Aufstand gegen die Spanier anführte. Um seine Verurteilung durch die spanische Krone zu verhindern, brachte Hernando Pizarro diesen Bericht 1539 selbst nach Spanien. Er unternahm diese Reise, um vor dem königlichen Hof die Hinrichtung des Adelantado Diego de Almagro zu verteidigen. Der Bericht half ihm jedoch nicht, denn von 1540 bis 1561 wurde er gefangen gehalten. Für die heutige Zeit ist diese Chronik jedoch eine wichtige Quelle für die Ereignisse, die mit dem Aufstand des Manco Inca eng verknüpft waren.
Es gibt nur wenige zeitgenössische Berichte, die diese Zeit beschreiben. Neben einigen Briefen der Konquistadoren sind es vor allem die Chronik des Franzisco Jerez, der als Sekretär Pizarros die Eroberung miterlebte, sowie die Chronik des Pedro Sancho, der die Arbeit von Jerez fortsetzte. Nach dem Fall des Inkareiches entstanden noch einige weitere Berichte von Zeitzeugen, einer davon ist die hier vorliegende »Relación del sitio del Cuzco...«. Zeitweise wurde sie dem Pater Vicente de Valverde, dem Kaplan der spanischen Eroberungsexpedition zugeschrieben. Es ist bekannt, dass dieser einen Bericht über seine Erlebnisse schrieb, der jedoch verloren gegangen ist. Bisher ließ sich jedoch nicht nachweisen, dass Valverde wirklich der Verfasser der »Relación del sitio del Cuzco...« war.
Es gibt, gewissermaßen als Ergänzung zu der vorliegenden Chronik, noch einen von indianischer Seite verfassten Bericht, der vom Aufstand des Inka Manco handelt. Er wurde von Mancos Sohn Titu Kusi Yupanqui diktiert und existiert bereits in einer deutschen Übersetzung. Beim Vergleich der beiden Texte wird sehr schnell deutlich, dass es zu einigen Ereignissen unterschiedliche Darstellungen gibt. Das zeigt, dass auch der hier vorliegende Bericht nicht geschrieben wurde, um die Nachwelt mit der Kultur und Geschichte der Inka bekannt zu machen. Ziel der »Relación del sitio del Cuzco...« war eine Darstellung der politischen und militärischen Ereignisse zur Zeit des Inka-Aufstandes, um die Rolle Hernando Pizarros zu bewerten. Dabei muss der heutige Leser berücksichtigen, dass vielfach Hernandos Rolle überbewertet oder idealisiert dargestellt wird. Schließlich kam es darauf an, der spanischen Krone die Verdienste eines Mannes bekannt zu machen, der aufgrund der politischen Entwicklung im Vizekönigreich Peru vor einer Verurteilung stand.
In Peru war es nämlich zu einer Erhebung der Konquistadoren gegen die spanische Krone gekommen. Ausgelöst wurde diese durch die Verkündung der »Leyes Nuevas«, der Neuen Gesetze der spanischen Krone aus dem Jahre 1542, die unter anderem Gebote zur Behandlung der indianischen Ureinwohner enthielten. Die Versklavung von Indianern wurde verboten, der Besitz von Encomiendas, Landgütern mit indianischen Leibeigenen, wurde für Beamte und Geistliche verboten. Damit beschnitt die Krone die selbst geschaffenen Privilegien der Konquistadoren erheblich. In allen spanischen Kolonien Amerikas lehnten sich die spanischen Bürger gegen diese neuen Gesetze auf. Den stärksten Widerstand gab es dabei in Peru, wo der jüngste der Pizarro-Brüder, Gonzalo, zum Anführer des Aufstandes avancierte. Der Widerstand gegen die von der Krone neu eingesetzten Beamten nahm die Formen eines regelrechten Bürgerkriegs an.
Parallel dazu mussten sich die spanischen Kolonisten mit den aufständischen Indianern auseinandersetzen. Der Inka Manco befehligte eine große Streitmacht, die für die spanische Kolonisierung Perus eine permanente Gefahr darstellte. Zeitweise verbündete er sich auch mit einer der rivalisierenden Parteien, letztendlich gelang es ihm aber nicht, entscheidende Erfolge zu erzielen. Der Aufstand des Manco Inca gefährdete zwar über Jahre die Errichtung der spanischen Kolonialherrschaft, konnte aber den Untergang der Inka-Dynastie nicht aufhalten. Erst der große Aufstand unter Tupac Amaru II. sollte 1780/81 wieder die spanische Herrschaft in Peru in Gefahr bringen. Dabei berief sich Tupac Amaru II. auf den letzten Inka Tupac Amaru, einen Enkel Mancos, der 1572 von den Spaniern hingerichtet wurde und mit dem die Herrschaft der Inka ihr Ende gefunden hatte.
Die im folgenden vorgestellte »Relación del sitio del Cuzco...« ist ein hervorragendes Zeitzeugnis, das der Nachwelt den Verlauf der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Indianern und Spaniern vorstellt. Dabei erfährt der Leser Einzelheiten, die er in keiner anderen Publikation finden kann. Trotz der Konzentration auf die Darstellung der Leistungen der spanischen Konquistadoren ist der Text ein Beweis für den heroischen Freiheitskampf eines unterdrückten Volkes, der uns auch heute noch Anerkennung abverlangt. Im Text gibt es eine Menge Hinweise auf die direkten Kontakte zweier Kulturen - der europäischen und der indianischen. Wenn sich dieser Kontakt vor allem im militärischen Bereich abzuspielen scheint, so gibt es doch genügend Hinweise auf religiöse oder soziale Aspekte der indianischen Kultur. Und der Text beschreibt ausführlich den Weg des Inka vom Verbündeten der spanischen Eroberer zum mächtigen Gegner, der den Erfolg in der offenen Feldschlacht sucht und anschließend gezwungen ist, eine Taktik des Guerillakrieges anzuwenden. Die »Relación del sitio del Cuzco...« ist die umfangreichste bekannte Darstellung des Manco Inca-Aufstandes und liegt nunmehr erstmals in deutscher Übersetzung vor.
Bei der Bewertung des Inhaltes sollte man sich immer wieder den Zweck der Niederschrift ins Gedächtnis rufen. Die Rolle Hernando Pizarros, der in diesen Aufzeichnungen als ein moderater, militärisch erfolgreicher Anführer dargestellt wird, ist hier deutlich überbewertet worden. Auch sämtliche Zahlenangaben sind kritisch zu bewerten. Generell neigen die spanischen Chronisten bei der Angabe ihrer Feinde zu Übertreibungen. Das geschah zum einen, um sich selbst in ein besseres Licht zu stellen (ein Sieg über zehntausend Feinde war eindrucksvoller als ein Sieg über einhundert Gegner), andererseits sollte man auch bedenken, dass man in einem unübersichtlichen Gelände, in dem man vielen feindlichen Kriegern gegenübersteht, vor Angst viel höhere Zahlen schätzt.
Bei der Übersetzung ist auf eine wortgetreue Übertragung bewusst verzichtet worden. Beim Original, verfasst in einem altertümlichen Spanisch, handelt es sich um einen offiziellen Bericht an die Krone. Dementsprechend ist der Stil des Schreibers. Aus diesem Grund sind bei der Übertragung ins Deutsche einige leichte Änderungen vorgenommen worden, vor allem den Satzbau betreffend, da sich im Original viele Sätze über mehr als eine Seite erstrecken. Um die Lesbarkeit des Textes zu vereinfachen, bildete ich kürzere Sätze. Beim Lesen sollte aber immer beachtet werden, dass es sich im Original um den Bericht eines Spaniers handelt, der die meisten der geschilderten Ereignisse miterlebt hat und seine Erinnerungen später in Cuzco niedergeschrieben hat. Der Charakter des Originals, ein Bericht eines spanischen Bürgers an seinen König, wird in der Übertragung weitgehend beibehalten. So gibt es im deutschen Text immer noch Formulierungen, die stilistisch nicht immer nach dem Geschmack heutiger Leser sind. Diese editorische Variante ist gewählt worden, um den Charakter des Originaltextes zu wahren. Immerhin handelt es sich um eine Übertragung ins Deutsche und nicht um eine überarbeitete Nacherzählung.
Die Orthographie der indianischen Namen erfolgt nach der im heutigen Quechua üblichen Schreibweise. Ortsnamen werden in der heute gebräuchlichen Schreibweise verwendet. Bei der Übersetzung wurde der Begriff »Indio« als Bezeichnung des Autoren für die einheimische indianische Bevölkerung beibehalten, um, wie bereits oben angedeutet, den Charakter des Textes zu wahren. Für die Bezeichnung der indianischen Frauen wird zugleich auch der Begriff »India« genutzt, da sich im Spanischen anhand der Endung der Genus unterscheiden lässt. Der Terminus Huillauma wird im Text oft als Name verwendet. Gemeint ist damit der inkaische Oberpriester der Sonne, der Name Huillauma ist dabei nur die Bezeichnung für den Würdenträger selbst. Der eigentliche Name dieses Priesters ist leider nicht überliefert.
Bei der endgültigen Fertigstellung des Textes habe ich viel Unterstützung erhalten. Ganz besonders möchte ich mich bei meiner Frau Antje bedanken, die mir nicht nur bei der Bewältigung der neuen deutschen Rechtschreibung Unterstützung geleistet hat. Ein ganz spezielles Dankeschön gilt Kathrin Schumann aus Berlin, die mir bei der Übersetzung des Originaltextes eine große Hilfe war, sie hat die erste Hälfte des Originals übersetzt. Die Fotos wurden mir freundlicherweise von Bernhard Zehr aus Oststeinbeck und Peter Jöchel aus Wittstock zur Verfügung gestellt. Ulrich van der Heyden danke ich für die Ermutigungen, dieses Projekt in Angriff zu nehmen.
 

Mario Koch