“Lebensbedingungen, Lebensgestaltung und Lebenssinn von älteren Frauen
in Deutschland und Europa. Protokollband der Tagung vom 7.–9. Mai 1999
in Bernburg”
hrsg. von Viola Schubert-Lehnhardt im Auftrag des Kultur-
und Bildungsvereins Elbe/Saale e.V. in Sachsen-Anhalt, trafo verlag 2000,
144 S., ISBN 3-89626-249-1, 16,80 €
Inhalt
Vorwort 7
Viola Schubert-Lehnhardt
I. Einführung zu Lebensverläufen aus historischer
und soziologischer Sicht
Lebenssituation und Lebensentwürfe von Frauen nach dem II. Weltkrieg
in der sowjetischen Besatzungszone 11
Angelika Klein
Von der Schwierigkeit, als Frau in der Politik zu überleben 19
Roswitha Stolfa
Was kann eine Gleichstellungsbeauftragte bewirken? 27
Susanne Schmotz
Frauen in der Kirche 33
Hanna Haupt
Frauenförderung im ärztlichen Beruf – ein wichtiges strukturelles
Gesundheitsziel aus der Sicht ostdeutscher Medizinerinnen 39
Anne Lützenkirchen
Die Reflexion von Frauen auf ihre Täterschaft im Nationalsozialismus
am Beispiel der “Euthanasie”-Anstalt Bernburg 69
Ute Hoffmann
II. Soziale und medizinische Fragen der Lebensgestaltung
Zu Sicht- und Verhaltensweisen der Bevölkerung bei der Lebensgestaltung
unter gesundheitsbezogenen Aspekten. Ergebnisse einer BürgerInnenbefragung
in Sachsen-Anhalt 77
Viola Schubert-Lehnhardt / Christel Gibas / Birgit Möbest
Die Sichtweise von Betroffenen im Tageszentrum für seelische Gesundheit
älterer Menschen 87
Heidi Rothe
SEX – Ein Leben lang – Fragezeichen, Ausrufezeichen 97
Anneliese Hehn
Vorurteile gegen Alter und alte Menschen 101
Franz-Joseph Illhardt
III. Die aktuelle Diskussion im Umfeld der Bioethik-Konvention
Demenz und der Untergang der Selbstverantwortung 115
Franz-Joseph Illhardt
Zum Risiko von Frauen in der Bioethik 128
Ernst Luther
Zwischen Siechtum und Würde 137
Biserka Herlt-Bodalec
Über die Autorinnen und Autoren 143
Vorwort
Bereits 19961 und 19982 fanden in der Bernburger Gedenkstätte für
die Opfer der NS-“Euthanasie” medizin-ethische Tagungen statt, die sich
durch die bewußte Verknüpfung von Gegenwartsfragen mit historischen
Traditionslinien auszeichneten. In Auswertung auf jeder Tagung üblicherweise
offen gebliebenen oder sich neu ergebenen Fragestellungen wurde beschlossen,
die für 1999 geplante Veranstaltung ausschließlich den Problemen
älterer Menschen zu widmen. Dies bot sich auch insofern an, als dieses
Jahr durch die UNO offiziell zum “Internationalen Jahr der Senioren” deklariert
wurde. ..). In bewußter Akzentuierung zu dieser, bei der Bezeichnung
dieses Jahres “üblicherweise” gewählten männlichen Form,
wurde seitens der VeranstalterInnen beschlossen, sich ausschließlich
auf die Probleme älterer Frauen zu konzentrieren.
Diese Entscheidung erschien im Nachhinein auch dadurch als günstig,
als der gewählte Veranstaltungstermin 7.–9. Mai 1999 mitten in die
Europa-Woche des Bundeslandes Sachsen-Anhalt fiel, und momentan in den
neuen Bundesländern vor allem Frauen als die Verliererinnen der (deutschen)
Einheit angesehen und problematisiert werden. Insofern lag es nahe, die
zu dieser Zeit sehr intensiven Gespräche über Vor- und Nachteile
des europäischen Integrationsprozesses zielgerichtet aus der Sicht
von Frauen zu diskutieren.
Bereits in der Vorbereitungs- und Abstimmungsphase zur Konferenz zeigte
sich bei den ReferentInnen ein unterschiedliches Verständnis des Begriffes
“ältere Frauen”. Die Spannbreite der Ansichten reichte von “zweiter
Lebenshälfte” (die ihrerseits wieder ein interpretationsbedürftiger
Begriff ist) über Eintritt des Rentenalters (auch hier war dann unklar,
ob damit der gesetzliche Renteneintritt oder bereits der Vorruhestand gemeint
wird) bis hin zu über 75 Jahre. Da dieses jeweilige Begriffsverständnis
stets auch an ein bestimmtes Lebenskonzeptverständnis – eingebettet
in einen jeweils unterschiedlichen theoretischen Ansatz – gebunden ist,
hatten sich die VeranstalterInnen entschlossen, den ReferentInnen keine
bestimmte Auffassung vorzugeben. Vielmehr sollte das Herangehen an die
Bestimmung von Alter und das dadurch implizit gegebene Alterskonzept mit
zum Tagungsgegenstand gemacht werden. Wie zu erwarten war, verlief die
Diskussion sehr lebhaft, ohne daß abschließend Konsens erreicht
wurde.
Zwei weitere Besonderheiten dieser Tagung gilt es hervorzuheben. Zum
einen hat sich der Kreis der VeranstalterInnen erweitert: neben der Gedenkstätte
für die Opfer der NS-”Euthanasie” und dem Verein zur Förderung
von Kultur, Wissenschaft und politischer Bildung in Sachsen-Anhalt e.V.
gehörten diesmal auch der Humanistische Verband Sachsen-Anhalt und
das Referat für Gleichstellung der Stadt Halle dazu.
Zum anderen haben ein Teil der ReferentInnen ihre Konferenzbeiträge
eher als spontane Wortmeldungen angesehen, die ihnen für eine Publikation
als ungeeignet erschienen, so daß nicht alle im Programm vorgesehenen
Referate in diesem Protokollband wiedergegeben werden können. Dafür
haben andere TeilnehmerInnen bzw. InteressentInnen an der Thematik um die
Aufnahme ihrer Wortmeldungen in den Protokollband gebeten. Dem ist die
Herausgeberin gern nachgekommen, so daß jetzt ein Band zu folgenden
drei Schwerpunkten vorliegt:
1. Lebensverläufe von Frauen aus historischer Sicht und
Probleme dieser Altersgruppe im gegenwärtigen politischen Geschehen
2. Soziale und medizinische Fragen der Lebensgestaltung von älteren
Frauen
3. Aktuelle Diskussionen im Umfeld der Bioethik-Konvention.
Der erste Komplex wird eingeleitet mit einem Blick der Historikerin
A. Klein auf die Spezifik des Lebensverlaufes der Kriegsgeneration bzw.
der sog. “Trümmerfrauen”. Die Gleichstellungsbeauftrage der Stadt
Halle, Frau S. Schmotz, beschreibt in ihrem Beitrag, mit welchem Anliegen
diese Gruppe von Frauen sich an das Referat Gleichstellung wendet und welche
Möglichkeiten eine Gleichstellungsbeauftragte hat, diesen gerecht
zu werden.
Die Vizepräsidentin des Landtages von Sachsen-Anhalt, Frau R.
Stolfa, gibt dann eine sehr persönliche Sicht darauf, was eine Frau
dieser Generation bewegt, “plötzlich” in die Politik einzusteigen
und auf welche spezifischen Probleme sie dabei trifft.
Anders und doch wieder ähnlich ist die Beschreibung von Pfarrerin
H. Haupt zu Lebensverläufen von Frauen in der Kirche. Nicht der weltanschaulich
andere Hintergrund prägt(e) ihren Lebensverlauf, sondern das biologische
Geschlecht. Auch bei ihnen sind ihre Lebensgestaltung, das Bedingungsgefüge
für Entscheidungen und Sichtweisen auf Sinnzusammenhänge wesentlich
durch ihr Frau-Sein geprägt.
Gleichfalls in diesen Komplex aufgenommen wurde ein Beitrag von Frau
Lützenkirchen zur Spezifik der Lebensverläufe von Ärztinnen
in den neuen Bundesländern nach der Vereinigung Deutschlands.
Abgerundet wird dieser Komplex durch die Darstellung der Leiterin der
Gedenkstätte, der Historikerin U. Hoffmann, zu geschlechtsspezifischen
Reflexionen auf die Täterschaft im Nationalsozialismus. – Daß
“Frauen so etwas nicht tun” ist ein oft geäußerter Mythos, auch
gerade wieder von Frauen, der der Realtität nicht stand hält.
Der zweite Komplex wird eingeleitet durch Ergebnisse einer BürgerInnenbefragung
in Sachsen-Anhalt zu Sicht- und Verhaltensweisen in der Lebensgestaltung
unter gesundheitsbezogenen Aspekten. Der Beitrag von V. Schubert-Lehnhardt,
Ch. Gibas und B. Möbest schloß dabei außerdem die Erwartungen
sowie Befürchtungen an künftige gesundheitspolitische Entscheidungen
in Deutschland mit ein. Diese konkreten Befragungsergebnisse korrespondierten
mit philosophisch-ethischen Betrachtungen zum “Sinnvollen Leben im Alter”
in den Beiträgen von M. Nühlen, A. Hehn und J. Illhardt.
Der dritte Komplex wendet sich einem europäischem Thema zu, das
derzeit gerade in Deutschland vehement diskutiert wird: die Bioethik-Konvention.
Die von den Autoren E. Luther, F. Illhardt sowie B. Herlt-Bodalec entwickelten
Beiträge gingen sehr breit auf mögliche Konsequenzen und Gefahren
ein, die allerdings beide Geschlechter beidermaßen betreffen. Nichtsdestotrotz,
so
E. Luther in seinem Text, ist die Spezifik der Frauen gegenwärtig
in diesen Diskussionen eher unterbelichtet – obwohl seit Jahren in der
Medizin auf die unterschiedlichen Auswirkungen bestimmter Pharmaka, Behandlungsmethoden
und -entscheidungen auf die Geschlechter verwiesen wird.
Die in diesem Diskussionskomplex geführte Diskussion zu anstehenden
Problemen war es auch, die die Entscheidung für die Thematik der für
das Jahr 2000 anstehenden Tagung prägte: “Pflegealltag im nächsten
Jahrtausend. Muß Pflege immer weiblich sein?”
Viola Schubert-Lehnhardt