Biografien des 20. Jahrhunderts. Elf europäische
Frauen im Interview"
von Stolzenburg, Margit (Hrsg.)
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Auf der Suche nach der verlorenen
Zukunft, Bd. 12], trafo verlag 2001, 313 S., ISBN 3-89626-184-3, 17,80 EUR
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REZENSIONEN
Inhaltsverzeichnis
Editorial 7
Vorwort 9
Hedda Jullien aus Frankreich, 1921–1996
Unter Frauen bin ich nicht die andere 13
Ágnes Ságvári aus Ungarn, Jahrgang 1928
Für die kommenden Generationen wird es nicht weniger spannend
36
Hilkka Pietilä aus Finnland, Jahrgang 1931
Wie schön ist es, im Kaufhaus zu sehen, welche Dinge man nicht
braucht 64
Soja Sarubina aus Rußland, Jahrgang 1920
Meine Aufgabe ist es, der Gesellschaft zu dienen 88
Ruth Frow aus Großbritannien, Jahrgang 1922
Wir werden nicht mehr der Mittelpunkt der Welt sein 110
Andjelka Tomac-Šragalj aus Kroatien, Jahrgang 1925
Der Krieg brachte meinem Land nur größere Konflikte 124
Zita Termeer aus den alten Bundesländern, Jahrgang 1918
Mein Leben ist Bewegung 150
Elfriede B. aus den neuen Bundesländern, Jahrgang 1933
Der Basisdemokratie wird die Zukunft gehören 177
Maria Elena Correia aus Portugal, Jahrgang 1932
Dennoch glaube ich, müssen wir weiterhin um unsere Freiheit kämpfen
206
Henriette Kraemer aus Holland, Jahrgang 1932
Ich stehe jetzt zu mir selbst und kann Wut umbauen 227
Hiroko Mizino, in Deutschland lebend, Jahrgang 1935
Es bereitete mir Qualen, “nein“zu sagen, so überforderte ich mich
masslos 247
Über die Interviewerinnen 261
Auszug
Editorial
In der Reihe "Auf der Suche nach der verlorenen Zukunft", in der dieser
Titel nun erscheint, nehmen ost- und westdeutsche Akademikerinnen und Akademiker
seit 1995 das Wort zu Grundproblemen unserer Zeit.
Aus einem ostdeutschen Gemeinschaftsprojekt, dem sich westdeutsche
TeilnehmerInnen und AutorInnen hinzugesellten, entwickelte sich in kritischer
Auseinandersetzung miteinander die Schriftenreihe “Auf der Suche nach der
verlorenen Zukunft”, die neue, übergreifende Fragestellungen aufnehmen
und an die Öffentlichkeit bringen will. In die bisher erschienenen
Bände gingen die konkreten Erfahrungen und Schlussfolgerungen der
ostdeutschen AutorInnen aus dem Scheitern des realsozialistischen Versuchs
ebenso ein wie die auf einer ganz andersartigen Sozialisation beruhenden
Sichtweisen auf gesellschaftsrelevante Problemstellungen der westdeutschen
AutorInnen und MitarbeiterInnen. Wir erkannten diese Differenz an und nutzten
sie bewusst. Das erwies sich als eine Bereicherung der Zusammenarbeit zwischen
AutorInnen, Beirat, Herausgeberin und Verlag und hat uns dabei geholfen,
das im Sinne einer menschenfreundlicheren Gesellschaft Zukunftsträchtige
in Vergangenheit und Gegenwart wahrzunehmen und zur Diskussion zu stellen.
In dem vorliegenden Band erzählen “Jahrhundertfrauen” – Frauen
aus verschiedenen europäischen Ländern und unterschiedlicher
sozialer Herkunft – ihre Lebensgeschichten. Alle sind in den ersten Jahrzehnten
des 20. Jahrhunderts geboren und somit Zeitzeuginnen des “Jahrhunderts
der Extreme” (Eric Hobsbawm), einer ereignisreichen und tragischen Geschichtsperiode.
Diese Frauen durchlebten und durchlitten sie nicht nur, sie haben sie auch
mitgestaltet. Keiner von ihnen war an ihrer Wiege gesungen worden, dass
ihr Leben sie aus der Privatheit zu öffentlichem Handeln führen,
dass sie nicht immer nur jemandes Tochter, Ehefrau und Mutter sein, sondern
zu Akteurinnen, zu eingreifenden Subjekten der Geschichte werden würden.
Bei aller Verschiedenheit der sozialen, wirtschaftlichen, politischen
und kulturellen Umstände, die ihre Kindheit und Jugend prägten
und die sehr divergierenden Lebenswege bestimmten, die diese elf heute
zwischen 65 und 82 Jahre alten Frauen einschlugen, gibt es ein einigendes
Band, das alle Lebensberichte verbindet: An irgendeinem Punkt ihrer Geschichte
begehrten sie auf, weigerten sie sich, dem für sie in ihrer Gesellschaft
vorgesehenen Rollenbild zu entsprechen.
An diesem Punkt beginnt ihre Selbstbefreiung, die in allen Fällen
auch zu ihrer früheren oder späteren Integration in verschiedenste
Projekte, Bewegungen und Unternehmungen zur Befreiung anderer führte.
Gegen Irrtümer, Irrwege, Illusionen, Fehlschläge und Enttäuschungen
aller Art waren sie nicht gefeit, aber keine dieser Zeitzeuginnen gab sich
oder den Wunsch nach einer besseren Welt jemals völlig auf. Aus allen
Berichten geht ihre tiefe Überzeugung hervor, dass sich nichts jemals
zum Besseren ändern kann, wenn nicht Menschen sich für solche
Veränderungen engagieren.
Die Gruppe der elf interviewten Frauen ist relativ zufällig zustande
gekommen. Zwar haben alle in der einen oder anderen Weise die Bildungs-
und Aufstiegsmöglichkeiten genutzt, die ihr Jahrhundert dank der modernen
Frauenbewegung den Frauen erstmals massenhaft bot, aber – wie ebenfalls
für das Jahrhundert charakteristisch – keine der Frauen gelangte in
Spitzenpositionen. Insofern repräsentiert auch diese zufällige
Auswahl Typisches für die Intervention und das Engagement emanzipierter
europäischer Frauen dieser Zeit. Umso bemerkenswerter, dass sie übereinstimmend
bilanzieren, ihr Leben und ihr Einsatz habe sich gelohnt.
Es gelang den fünf Interviewerinnen sich zurückzunehmen,
die Frauen als Gesprächspartnerinnen und nicht als Objekte zu betrachten
und im übersetzten und transkribierten Interview die Eigenart der
jeweiligen Erzählerin nicht zu beschädigen sondern zu erhalten.
Der vorliegende Band öffnet einen Blick auf das Jahrhundert, der
weiblich, menschlich und trotz allem, was ungeschminkt und wahrheitsgemäß
berichtet wird, unverwüstlich optimistisch ist.
Hanna Behrend
Herausgeberin