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Triebel, Wolfgang: “Gelobt und geschmäht.
Wer war Otto Grotewohl? –
Deutungsversuche in Aufsätzen und Interviews
mit Zeitzeugen”,
[= Biographien europäischer
Antifaschisten, Bd. 3],
1997, 345 S., 48 Fotos und Abb., geb., Register, ISBN 3-89626-133-9; EUR 29,80
Zum Inhalt
Otto Grotewohl erwarb sich nach dem 2. Weltkrieg durch sein Auftreten
in der Öffentlichkeit, durch die Art der Wahrnehmung seiner Führungspositionen
1945 in der SPD, ab 1946 in der SED und seit 1949 in der Funktion als Ministerpräsident
der DDR bei der Bevölkerung Respekt und Vertrauen. Von manchen Mitstreitern
und Genossen in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR jedoch wurde
er vielfach mit Vorsicht, z.T. mit Mißtrauen und Vorbehalten beobachtet.
Seine politischen Gegner in den Westzonen und der Bundesrepublik behandelten
ihn bis auf Ausnahmen mit offener Feindschaft und Gehässigkeit.
Die Geschichtsschreibung über Grotewohls politische Rolle im Nachkriegsdeutschland
war folglich in Ost und West bis 1990/91 von dieser unterschiedlichen Bewertung
seiner Person und seines Handelns bestimmt. In der DDR-Literatur galt er
als ein nahezu problemloser Staatsmann, Persönliches schien in seine
Tätigkeit nicht hineinzuwirken, und meist wurde hervorgehoben, er
wäre als ehemaliger Sozialdemokrat unter dem Einfluß von Kommunisten
zum sozialistischen Politiker emporgewachsen. Westdeutsche Veröffentlichungen
titulierten ihn Verräter der SPD und sozialdemokratischer Ideen, beschimpften
ihn als Anbiederer an die sowjetische Besatzungsmacht und Gesinnungsgehilfe
der Kommunisten, den Ehrgeiz trieb und dem persönliches Wohlergehen
wichtiger gewesen wäre als die SPD, die ihn nach dem 1. Weltkrieg
mehrfach zum Braunschweigischen Minister gewählt und die er von 1925
bis 1933 im Deutschen Reichstag vertreten hatte.
Nachdem 1990 beide deutsche Staaten wieder vereinigt sind, näherten
sich DDR-Wissenschaftler der Person Otto Grotewohls und sichteten seinen
umfangreichen Nachlaß im ehemaligen Parteiarchiv der SED. Der Autor
dieses Bandes wurde zu einem Protagonisten der Grotewohlforschung. Die
zwischen 1994 und 1996 geschriebenen Aufsätze über Grotewohls
Weg zur SED, seine Herangehensweise an Bewertungen historischer Ereignisse
und sein Engagement bei der Ausarbeitung einer neuen gesamtdeutschen Verfassung
zwischen 1946 und 1949 demonstrieren das konfliktreiche Ringen Grotewohls
um eine demokratische Entwicklung Nachkriegsdeutschlands. Grotewohls Handeln
wird aus seinen historischen und persönlichen Erfahrungen vor sowie
den konkreten politischen Machtverhältnissen nach 1945 erklärt.
Aufschlußreich sind die Gespräche und Intervies des Autors
mit Grotewohls Sohn Hans und dessen Frau, mit seinem Mündel Nora Kuntzsch,
mit Weggefährten und Mitarbeitern. Allen wurden die gleichen Fragen
ohne Kenntnis der Aussagen der anderen gestellt, so daß eine Palette
von Antworten zustandekam, die eine differenzierte Beurteilung Grotewohls
ermöglicht. Seine persönlichen Sekretäre von 1946 bis 1950
und von 1951 bis 1961, Oberst Prof. Brodski von der sowjetischen Stadtkommandantur
Berlins 1945 bis 1950, gemaßregelte SED-Genossen wie Karl Schirdewan,
Hans Mahle, der erste Landwirtschaftsminister der DDR Paul Scholz sowie
die Historiker Wolfgang Leonhard und Stefan Doernberg, die in Moskau zusammen
gelernt haben, 1945 auf unterschiedlichen Wegen nach Deutschland zurückkehrten,
Leonhard mit der Gruppe Ulbricht, Doernberg als Offizier der Roten Armee,
später verschiedene politische Wege gingen, sie alle erwiesen sich
als kompetente Zeitzeugen, deren Urteile nicht durch nostalgische Verklärungen
getrübt sind.
Der Band enthält außerdem die von Hans Grotewohl gestattete
erstmalige Veröffentlichung eines längeren Auszugs aus dem persönlichen
Tagebuch Otto Grotewohls von 1918/19, wodurch der Blick auf seine ersten
politischen Schritte, sein feinfühliges Zugehen auf andere Menschen
und nicht zuletzt seine Bemühungen um eine kulturvolle Sprache schon
des jungen Mannes sichtbar werden. Hervorhebenswert ist im Anhang die bisher
umfangsreichste Datensammlung über Otto Grotewohl von der Geburt 1894
bis zu seinem Tod 1964.
Inhaltsverzeichnis
1. Zum Anliegen des Buches
2. Otto Grotewohls Weg in die Einheitspartei.
3. Grotewohl und die Verfassungsdiskussion
4. Grotewohls Arbeit zur deutschen Novemberrevolution 1918 “Dreißig
Jahre später” – heute
5. Otto Grotewohl und die Russen.
Gespräche und Interviews
6. Gespräch mit Madeleine u. Hans Grotewohl, Schwiegertochter
und Sohn Grotewohls, am 2.3.1994
7. Gespräch mit Frau Nora Kuntzsch, Mündel Otto Grotewohls,
am 9.10.1992
8. Gespräch mit Prof. Dr. Stefan Doernberg am 13.1.1993. Historiker, 1945 Offizier der Roten Armee
9. Interview mit Wilhelm Meißner am 15.1.1993. 1946–1950 persönlicher Sekretär Grotewohls (verstorben
1995)
10. Interview mit Paul Scholz am 20.9.1993. Demokratische Bauernpartei, Minister für Land- und Forstwirtschaft
in den fünfziger Jahren (verstorben 1995)
11. Interview mit Prof. Wolfgang Leonhard am 22.8.1994. Historiker, 1945 Mitglied der Gruppe Ulbricht, März 1949
Flucht aus der SBZ
12. Gespräch mit Hans Mahle am 6.7.1995. 1945 Mitglied der Gruppe Ulbricht, Generalintendant des Berliner
Rundfunks, 1952 entlassen
13. Interview mit Karl Schirdewan am 23.10.1995. Mitglied des Politbüros der SED, 1958 aus dem ZK ausgeschlossen
14. Interview mit Fred Stempel am 10.6.1995. 1951 bis 1961 persönlicher Sekretär Grotewohls
15. Interview mit Oberst Prof. Dr. Jefim Aronowitsch Brodski am 19.4.1996. 1945-1950 leitender Offizier der sowjetischen Stadtkommandantur
Berlin (verstorben im Herbst 1996)
16. Aus dem persönlichen Tagebuch Otto Grotewohls aus dem Jahre
1918 “Aus meiner Landsturmzeit”
17. Auswahl Biographischer Daten zu Leben und Wirken Otto Grotewohls
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