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Ein Zeitzeuge geht seinen Wegvon Kurt Schilde In den vergangenen Jahren habe ich des öfteren
die Spuren, die Wolfgang Szepansky in der Geschichte hinterlassen hat,
aufgefunden: So stieß ich bei meinen in den 1980er Jahren für
das Bezirksamt Tempelhof durchgeführten Recherchen zur Geschichte
des Nationalsozialismus auf eine Meldung: “Mariendorfer Kommunist festgenommen.
In der Lichterfelder Straße (Bezirk Kreuzberg) bemalte des Nachts
ein Kommunist eine Mauer mit den Worten ‘Nieder mit Hitler! KPD lebt. Rot
Front!’ Ein Polizeibeamter in Zivil und ein SA-Mann beobachteten jedoch
den Schmierfinken bei seiner staatsfeindlichen Arbeit mit der weißen
Ölfarbe und nahmen ihn – es handelt sich um den 23jährigen Maler
Wolfgang S. aus der Kurfürstenstraße in Mariendorf – sowie zwei
Helfer fest, die ihm Aufpasserdienste leisten sollten. Alle drei wurden
der Abteilung I im Polizeipräsidium eingeliefert.” (Tempelhof-Mariendorfer
Zeitung vom 14.8.1933) Ich hatte keinerlei Zweifel, daß es sich
bei dem Verhafteten um Wolfgang Szepansky handelte. Er war mir schon einige
Male bei antifaschistischen Stadtrundfahrten und öffentlichen Veranstaltungen
begegnet, ich hatte mit ihm diskutiert und ihn als einen Mann mit einer
eigenständigen Position kennengelernt. Er war Kommunist, aber beileibe
kein Dogmatiker, man konnte – und kann bis heute – mit ihm reden. Er vertritt
seine Meinung und er akzeptiert die Auffassungen von anderen.
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In der Familie wurde viel gesungen, gelesen und
diskutiert. Der jugendliche Wolfgang war in der Arbeitertheaterbewegung
aktiv. Als die nationalsozialistische Partei an die Macht gebracht wurde,
unterstützte er mit seinen Genossen den Widerstand. Am 25. Oktober
1933 klagte ihn der Generalstaatsanwalt bei dem Landgericht Berlin an,
“den organisatorischen Zusammenhalt eines Vereins” – gemeint war die in
die Illegalität gedrängte Kommunistische Partei Deutschlands
– “weiter aufrecht erhalten zu haben” und “öffentlich zu einer Gewalttat
gegen eine bestimmte Person aufgefordert zu haben.” Damit war sein Aufruf
“Nieder mit Hitler” gemeint. Nach der Freilassung ging er 1934 in die Niederlande
ins Exil, wo er 1940 wieder in die Hände der Nazis geriet. Die Befreiung
erlebte er auf dem Todesmarsch aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen.
Nach elf Jahren sah er seine Eltern wieder. Sofort engagierte er sich abermals:
Am 18. Juni 1945 entstand in einer Mariendorfer Schule der Antifaschistische
Jugendausschuß von Tempelhof. Wolfgang Szepansky begann, mit den
vorher in der Hitler-Jugend und dem Bund Deutscher Mädel organisierten
Jugendlichen eine demokratische Jugendarbeit aufzubauen. Als ich 1989 eine
Veranstaltungsreihe in der Volkshochschule über die Jugendarbeit im
Jahre 1945 organisierte, berichtete er über die Heimabende und Theater-
und Musikgruppen, in denen versucht wurde, den Jugendlichen eine demokratische
Perspektive aufzuzeigen.
Beruflich betätigte sich der gelernte Maler
zunächst als Zeichenlehrer, bis er 1951 im Zeichen des Kalten Krieges
Berufsverbot erhielt, weil er Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei
war.
“So etwas darf es niemals wieder geben.” Mit
dieser Einstellung hat Wolfgang Szepansky bis heute mit überwiegend
jungen Menschen über seine Erfahrungen aus der Zeit des nationalsozialistischen
Deutschlands gesprochen. Er hat keine Geschichten vom Krieg zu erzählen
oder vom Alltag im nationalsozialistischen Deutschland. Er berichtet von
seinem frühen Widerstand und erinnert an seine ermordeten Mitkämpfer,
vom Leben im Exil und dem Terror im Konzentrationslager Sachsenhausen.
Er sagte einmal: “Es war mir eine Qual, ihre Fragen stockend zu beantworten.”
Doch gleichzeitig spürte er, wie die Zuhörenden ihm ergriffen
lauschten. “Ich begann zu begreifen, wie wichtig die Kenntnis dessen, was
ich erzählte, für nachfolgende Generationen ist.”
Die Arbeit als Zeitzeuge in Schulen, Universitäten
und Volkshochschulen empfindet der bescheiden gebliebene Mann als Pflicht,
auch wenn sie manches Mal schmerzhaft ist. Er kann mit großem Verständnis
zuhören und die an ihn gestellten Fragen anschaulich beantworten.
Er schöpft aus dem Fundes eines langen und erlebnisreichen Lebens.
Wolfgang Szepansky ist für mich der Inbegriff eines Zeitzeugen und
er hat sich große Verdienste erworben. Wer Jahr für Jahr in
einem halben hundert Veranstaltungen mit weit über tausend Personen
spricht, hat sich die öffentliche Anerkennung verdient und deshalb
ist Wolfgang Szepansky am 26. September 1996 öffentlich mit dem Bundesverdienstkreuz
am Bande geehrt worden.
Kurt Schilde
© trafo verlag dr. wolfgang weist, Berlin
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